Neun Fragen an Frau Bärbel Tirl, Thomas-Dehler-Bibliothek Berlin-Schöneberg
1.
Die Thomas-Dehler-Bibliothek (TDB) besteht seit 1957, sollte schon mehrmals geschlossen werden und
wird seit 2003, also gut 20 Jahren, durch die „Freunde und Förderer der TDB“ ehrenamtlich betrieben. Worauf sind Sie besonders stolz?
"Freunde und Förderer der Bibliothek" gibt es nicht. Die Bibliothek wird durch ein ehrenamtlich arbeitendes Team betrieben und ist eine Zweigstelle der MPB.
Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, die TDB so lange
am Leben zu erhalten und über den Zuspruch und die Anerkennung unserer Besucher.
2.
Wie groß ist Ihr Team der Ehrenamtlichen? Welche Aufgaben übernimmt
das Team?
Das Team besteht aus 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Öffnungszeiten sichern. Dabei arbeiten wir in Zweierteams in zweistündigen Schichten. Bei Bedarf unterstützen wir die Besucher bei Buchungsvorgängen, am Kunden-PC und bei der Suche nach bestimmten Medien.
Wir kümmern uns um die eventuelle Aufnahme gespendeter Medien in unseren Bestand und letztlich gehört auch die Regal- und Bestandspflege zu unseren Aufgaben.
3. Wie organisieren Sie Ihre Arbeit genau?
Einiges wurde schon in Frage zwei beantwortet. Zudem führen wir regelmäßige Teamsitzungen durch, um unsere Arbeit zu reflektieren und anstehende Aufgaben zu besprechen.
Außerhalb der regulären Öffnungszeiten besuchen uns Schulklassen in monatlichen Abständen. Sie werden von zwei festen Teams betreut.
Aktuell beteiligen wir uns, wie auch schon im vergangenen
Winter, am "Netzwerk der Wärme" mit zusätzlicher vierstündiger Sonntagsöffnung.
4. Die TDB ist Teil der bezirklichen Bibliotheken. Wodurch unterscheidet sich die TDB aber von den anderen Standorten wie z.B. der MPB
in der Hauptstraße?
Hier sollte der Schwerpunkt Kinder und Familien genannt werden. Publikum kennt sich, enges Verhältnis zur Umgebung. Also dass die TDB eigentlich schon
ein 3. Ort ist.
Wir sind eine überwiegend kiezorientierte "Leihbibliothek" mit einer Stammkundschaft. Der Umgangston ist daher oft recht persönlich.
Es gibt aus Platzgründen keine PC- und sonstigen Arbeitsplätze. Eine gemütliche Leseecke findet man nur im Kinderbereich. Mit dieser Situation haben wir uns arrangiert.
Im Gegensatz zu allen anderen öffentlichen Berliner Bibliotheken können wir als "Ehrenamtler" keine Leseausweise ausstellen bzw. verlängern.
Auch Bargeldzahlungen für Bibliotheksdienste sind bei uns
nicht möglich. Es besteht jedoch die Möglichkeit per EC- bzw. Kreditkarte zu zahlen.
5. Welche Veranstaltungen führen Sie in der TDB durch?
Aktuell finden in der TDB Ausstellungen mit Werken Berliner Künstler im dreimonatigen Wechsel statt. Wenn es gewünscht wird, werden Vernissagen und Finissagen organisiert.
6. Wieviel Geld erhalten Sie im Jahr zum Erhalt und Ausbau des Medienbestandes und reicht das Ihrer Meinung nach aus?
Dazu möchten wir im Interview keine Auskunft geben.
7. Ist es richtig, dass Ihre MitarbeiterInnen die Parkgebühren am Wartburgplatz von 7,50 € pro Stunde (recherchieren ob das wirklich so hoch ist, sonst nicht nennen) selbst bezahlen müssen und das Bezirksamt T-S keine Möglichkeit sieht, Ihnen mit
Gratisparkplaketten zu helfen, obwohl solche Möglichkeiten existieren?
Einige Kolleginnen kommen insbesondere im Winter mit dem Auto zum Dienst und müssen entsprechend Parkgebühren zahlen. Wir bemühen uns intern um eine Lösung.
8. Was sind Ihre Pläne für 2024?
Wir versuchen, unsere Öffnungszeiten um vier Stunden pro Woche zu erweitern.
9. Haben
Sie Wünsche für die weitere Zukunft?
Wir freuen uns sehr, dass es die TDB noch gibt. Darüber hinaus sind wir froh über die gute unterstützende und beratende Zusammenarbeit mit den zuständigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der MPB bzw. BZB.
Und wir wünschen uns, dass wir gesund bleiben und gemeinsam unsere Arbeit und die kommenden Aufgaben meistern und verrichten können.
Corona-Clips 2– Streiflichter aus den Stadtbibliotheken
Fünf Fragen an die stellvertr. Leiterin der Stadtteilbibliothek Lichtenrade,
Frau Annika Klein
Ins Netz gestellt am 15. Juli 2021 vom Webmaster der Freundeskreis-Webseite, Dr. Gerhard Weil
1. Frau Klein, die Stadtbibliothek Lichtenrade wurde nach Umzug in die Alte Mälzerei am 14. Juni 21 nach einiger Verspätung
für die Benutzer·innen wieder eröffnet. Wie kam es zu den Verzögerungen und wie war die Resonanz nach der Eröffnung?
Zuallererst möchte ich betonen, dass der Umzug der Bibliothek mit der Umzugsfirma wunderbar geklappt hat. Die Verzögerungen ergaben sich
hauptsächlich aus Bauarbeiten, die noch nicht fertiggestellt waren. Auch jetzt ist noch nicht alles fertig, aber wir wollten endlich wieder die Tore für unsere Leser·innen öffnen. Die Resonanz
ist bisher fast durchweg positiv, die meisten Leser·innen sind begeistert von unseren neuen Räumlichkeiten. Vor allem die Kinder nutzen gerne unsere eigens dafür entworfene Schnitzeljagd, um die
Bibliothek in der Alten Mälzerei zu erkunden.
Einige wenige negative Rückmeldungen bzw. Verbesserungsvorschläge kamen natürlich auch – manches können wir selbst verändern, auf anderes wie z.B. die Parkplatzsituation vor Ort haben wir leider
keinen Einfluss.
2. Mit dem Umzug gab es ja einige deutlich erkennbare Verbesserungen. Können Sie diese kurz
beschreiben?
Durch den Umzug konnten wir unsere Publikumsfläche verdoppeln, von ca. 600 qm2 auf etwa 1200 qm2. Durch Sondermittel waren wir
außerdem in der Lage, unseren Bestand signifikant zu vergrößern und neue Bestandsschwerpunkte wie Ernährung, Musik und Umwelt auszubauen. Über 50.000 Medien stehen in der neuen Bibliothek zum
Stöbern und Ausleihen bereit. Neu sind auch unsere zwei Gruppenräume, die momentan leider noch nicht genutzt werden können. In naher Zukunft sollen hier Kleingruppen lernen können oder
Veranstaltungen stattfinden, ebenso wie auf unserer Veranstaltungstreppe im Kinderbereich. Letztere ist sehr großzügig angelegt, im Gegensatz zum Kinderbereich in der Briesingstraße, der doch
sehr beengt war.
3. Die PC-Arbeitsplätze sind zwar zahlreich vorhanden, aber die Geräte fehlen, liegt es nur an
Corona?
Momentan soll wegen Corona die Aufenthaltsdauer in Bibliotheken noch möglichst kurz gehalten werden, daher können wir derzeit noch keine Arbeitsplätze anbieten. Auch die nötige Technik ist noch
nicht in vollem Umfang vorhanden. Sobald alle Voraussetzungen geschaffen sind, werden wir sowohl wieder feste Arbeitsplätze anbieten als auch Laptops für die Vor-Ort-Nutzung verleihen.
4. Neu ist auch das Malzcafé und im Kinder- und Jugendbereich ein terrassenförmiger Sitzbereich für Lesungen. Wann kann man
sich nach der Buchausleihe mit einem Kaffee stärken und auf eine Lesung freuen?
Das Café ist zwar auf der Fläche der Bibliothek, wird aber direkt von dem Eigentümerpaar verpachtet. Hier wird noch ein passender Betreiber gesucht. Die momentanen Bestimmungen zur
Innengastronomie sorgen bestimmt auch dafür, dass es da noch etwas länger dauern kann. Wir sind selbst gespannt, wann es so weit sein wird.
Über unseren neuen, großzügigen Veranstaltungsbereich sind wir sehr glücklich. Geplant ist, dass wir nach den Sommerferien wieder mit den Gruppenführungen für Schulen und Kitas starten. Auch
Lesungen möchten wir dort ausrichten, sobald es die Corona-Bestimmungen zulassen. Genaue Termine können wir noch nicht nennen, aber die Leser·innen dürfen auf alle Fälle gespannt sein. Kleiner
Tipp: Am 28.8. veranstaltet die UTB ein Sommerfest an der Alten Mälzerei. Hier wird auch die Stadtbibliothek mit Aktionen für Besucher·innen dabei sein.
5. Leider stehen die eindrucksvollen Räume der Stadtbibliothek Lichtenrade nur an drei Tagen in der Woche zur Verfügung.
Woran liegt es und ist mit Verbesserungen zu rechnen?
Die momentanen Öffnungszeiten liegen zum einen an Corona, zum anderen auch an unserer angespannten Personalsituation. Irgendwann werden wir hoffentlich wieder zu den früheren Öffnungszeiten
zurückkehren können. Wann dies möglich sein wird, können wir zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht sagen.
1. Frau Dominik, ich bin hier über einen neu gestalteten Vorplatz zur leider immer noch sehr versteckten Mittelpunktbibliothek gelangt und sah als Erstes beschmierte Wände und blätternde Farbe an der Außenfassade. Sollte hier eigentlich nicht eine grundlegende Renovierung erfolgen?
Ja, neben den neuen WCs und dem Aufzug soll auch der Vorplatz grundlegend neu gestaltet werden. Die Pläne dazu sind fertig, das Geld ist, soweit ich weiß, auch da. Das alles sollte eine große Maßnahme sein, nun wird es aber nach und nach umgesetzt und ich hoffe, dass mit den Arbeiten im Außenbereich noch in diesem Frühjahr begonnen wird. Durch die Arbeiten im Park kann man nun über den gepflasterten gelben Weg die Bibliothek immerhin seit gut einem Jahr trockenen Fußes erreichen, aber der ganze Vorplatz soll neue Steine und begrünte Flächen bekommen; wetterfeste Sitzmöbel und bessere Beleuchtung sind auch vorgesehen. Und natürlich haben Sie recht: Wir sind immer noch etwas versteckt, d.h. auch ein weithin sichtbarer Hinweis auf die Bibliothek an der Hauptstraße, aber auch an der Belziger Straße fehlt noch.
2. Der Fahrstuhleinbau ist auch noch nicht beendet, wann rechnen Sie damit, dass Mütter mit Kinderwagen oder Behinderte mit dem Fahrstuhl die Kinder- und Jugendabteilung barrierefrei betreten können?
Es ist wirklich bedauerlich, dass das alles so lange dauert, aber nun ist zumindest die Fertigstellung des Aufzugs absehbar. Die Decken in der Eingangshalle werden mit dem Einbau des Aufzugs komplett erneuert, deshalb müssen wir vom 20.1.2020 an die Bibliothek noch einmal für fünfeinhalb Wochen schließen. Das ist ärgerlich für unsere Kunden, aber auch für uns. Gerade in der kalten, dunklen Jahreszeit wird die Bibliothek sehr gut besucht, wir verlieren wichtige Ausleih- und Besucherzahlen, von denen unser Etat abhängt. Aber wenn die Planung nun tatsächlich so umgesetzt werden kann, dann öffnen wir am Tag nach Aschermittwoch, am 27. Februar mit einem Aufzug – nach 55 Jahren ist das Gebäude dann endlich barrierefrei und zusammen mit den im September fertig gestellten neuen WCs ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg der Modernisierung erreicht.
3. In der Filiale Marienfelde haben wir bei einem Besuch des Freundeskreises ein beeindruckendes Lichtkonzept mit vielen neuen LED-Leuchten bewundern können, wird es bei Ihnen zusätzlich zu den ersten sichtbaren Modernisierungen auch so etwas geben?
In der ursprünglichen Planung der Bauabteilung war neue Beleuchtung nur für die Decken in den Hallen im Erdgeschoss und Obergeschoss vorgesehen. Durch ein glückliches Zusammentreffen von Umständen, die mir bisher noch niemand so genau erklären konnte, wurden die alten Neonröhren in den Rasterleuchten im großen Lesesaal durch moderne LED-Technik ersetzt. Das Licht ist dort jetzt so viel besser zum Lesen und Arbeiten, ganz abgesehen von der Energieeinsparung, dass wir nun sehr darum kämpfen, vor allem in der Kinderabteilung die alten Röhren durch LED-Leuchtmittel zu ersetzen. Im Moment bin ich vorsichtig optimistisch, dass das während der Schließzeit erledigt werden kann. Dann wäre nur noch die Abteilung Belletristik umzurüsten. Unsere Geduld und die der Bibliotheksbesucher wird da ziemlich strapaziert.
4. Gibt es über die laufenden Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten vor Ort ein weiterführendes Zukunftskonzept für diese Einrichtung aus dem Jahre 1964?
Dieses Haus war 1964 ein moderner Bibliotheksbau. Für die veränderten Anforderungen ist es viel zu klein. Wir brauchen dringend eine Flächenerweiterung. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte weltweit, aber auch in Deutschland und in anderen Berliner Bezirken zeigt, dass große Häuser mit ausgedehnten Öffnungszeiten, übrigens auch am Wochenende, besonders viele Menschen anziehen. Die Vernetzung mit anderen Einrichtungen wie Museen, Volkshochschulen, Musikschulen, aber auch Schulen, Kitas sowie Initiativen aus der Bevölkerung spielt dabei eine große Rolle. Unsere Mittelpunktbibliothek Schöneberg, die Theodor-Heuss-Bibliothek, ist für die Versorgung von etwa 130 000 Menschen zuständig, d.h. wir müssten mindestens ebenso viele Medien anbieten, haben aber nur knapp 80 000. Der Platz reicht überhaupt nicht aus. Nachdem vor einigen Jahren der Umzug ins ehemalige Kaufhaus Hertie politisch nicht mehrheitsfähig war, ist nun immerhin Bewegung gekommen in die Diskussion um die Notwendigkeit attraktiver Bibliotheken in Bürgerzentren. Die Alte Mälzerei in Lichtenrade und die Neue Mitte Tempelhof sind großartige Projekte, die absolut in die richtige Richtung gehen. Für Schöneberg gibt es den Entwurf für einen Bildungs- und Kultur-Campus, der die Bibliothek und das Museum durch einen Anbau verbindet und die dringend benötigte Flächenerweiterung bringt für neue Angebote, Veranstaltungsräume, ein Café, attraktive Aufenthaltsbereiche drinnen und draußen. Vor ein paar Wochen war ich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Bibliothek, dem Museum und der Volkhochschule in Aarhus in Dänemark. Wir haben Dokk1 besichtigt, eine riesige Bibliothek, moderne Architektur, auch das Bürgeramt findet darin Platz. Bei der Planung wurden ganz früh die Bewohner der Stadt befragt und mit ihren Wünschen einbezogen. Davon müssen wir lernen und entsprechend für Tempelhof die Neue Mitte und für Schöneberg den Campus entwickeln.
5. Was hat sich seitdem inhaltlich und von den Nutzeransprüchen an eine moderne Bibliothek geändert?
Früher kamen die Menschen vor allem in die Bibliothek, um Bücher auszuleihen. Hier in der Theodor-Heuss-Bibliothek gab es zwei Lesesäle, einen für Erwachsene im Erdgeschoss und einen oben in der Kinderbibliothek. Dort konnte bei absoluter Stille unter bibliothekarischer Aufsicht in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern gelesen werden. Heute spielen dagegen der Aufenthalt und das Miteinander in der Bibliothek eine große Rolle. Die Bibliothek ist ein Treffpunkt für Eltern mit Kindern, für Schülergruppen, für Menschen aus dem Kiez, die sich hier – verabredet oder zufällig – begegnen, zum Plaudern, zur Internetnutzung, zum Vorlesen, zum Arbeiten. Das alles findet in verschiedenen Sprachen statt. Unsere Besucher bilden nahezu das gesamte bunte Spektrum der Schöneberger Bevölkerung ab. Für all diese unterschiedlichen Bedürfnisse sind entsprechende Räume notwendig: Tische und Stühle für Arbeitsgruppen, gemütliche Ecken zum Lesen und Lümmeln, Plätze mit Steckdosen für Laptop-Nutzer, Lese- und Spielflächen für Familien, Computerplätze für Schülerinnen und Schüler. Idealerweise sollten die Flächen akustisch voneinander so getrennt sein, dass sich die verschiedenen Bedürfnisse nicht gegenseitig behindern. Deshalb ist die Flächenerweiterung, von der ich sprach, so wichtig!
6. Sie verfügen über insgesamt 14 Mitarbeiterinnen, 1964 sollen es 28 gewesen sein, können Sie und Ihr Team das Pensum – auch mit der Sonnabendöffnung – schaffen?
Ja, unglaublich, ich weiß gar nicht, wo die alle gewesen sein sollen! Zwei ehemalige Büros und die Buchbinderei haben wir längst in Publikumsflächen umgewandelt. Einige Tätigkeiten gibt es tatsächlich nicht mehr. Wir bekommen die meisten Medien ausleihfertig geliefert, das Mahnwesen ist automatisiert, die Aufsicht im Lesesaal und die Garderobenfrauen werden nicht mehr benötigt. Durch die Einführung des EDV-Verbunds der Berliner Öffentlichen Bibliotheken VÖBB vor 20 Jahren und die RFID-Technik vor sieben Jahren sind natürlich eine Reihe von Routinearbeiten leichter geworden oder weggefallen. Aber wir haben auch bittere Sparrunden im Berliner öffentlichen Dienst hinter uns. Und wir decken mit diesem Personal 50 Öffnungsstunden pro Woche ab, betreuen die unterschiedlichsten Veranstaltungen, auch außerhalb der Öffnungszeit. Da würden wir gern mehr anbieten, haben viele gute Ideen, das ist mit der dünnen Personaldecke aber nicht möglich. Gerade im Servicebereich sind wir sehr knapp besetzt. Die Kolleginnen und Kollegen müssen regelmäßig zwei Spätdienste bis 20 Uhr pro Woche übernehmen, bei Krankheitsausfällen auch mehr. Dazu kommen etwa acht oder neun Samstagsdienste.
7. Wir haben gerade wieder von Defiziten der deutschen Schuljugend hinsichtlich der Lesefähigkeit gehört, Stichwort PISA-Studie. Mit welchen Initiativen fördern Sie die Lesefreude für Kids im Kiez?
Das ist ja eine der wichtigsten Aufgaben der öffentlichen Bibliotheken und bei uns schon seit vielen Jahren erklärter Schwerpunkt. Wir haben gute Kontakte zu sehr vielen Kitas, allen Grundschulen und den meisten Oberschulen in unserem Einzugsgebiet. Die Erzieher und Lehrerinnen verabreden mit uns Termine und kommen – meist vor der Öffnungszeit – mit den Gruppen bzw. Klassen in die Bibliothek. Die Kita-Kinder suchen Bücher aus und bekommen eine Geschichte vorgelesen. Die Module für die Schulkinder heißen Entdecken, Sich Orientieren und Recherchieren. Da gibt es Einführungen, Such- und Orientierungsspiele, medienübergreifendes Geschichtenerzählen vom Vorlesen bis zur App. Die Kinder und Jugendlichen erfahren die Bibliothek als Ort, an dem sie sich selbstständig mit Informationen und spannender Lektüre versorgen können, lernen Literatur und Medien zu bewerten. Im Herbst und Winter gibt es jede Woche Bilderbuchkino für die Kleinsten: Da werden die Illustrationen eines Bilderbuchs auf die Leinwand projiziert und dazu die Geschichte vorgelesen. In einem zweiten Durchgang erzählen die Kinder anhand der Bilder die Geschichte nach. Im Sommer gibt es eine Sommerleseaktion. Da lesen Kinder möglichst viele Bücher und schreiben eine Empfehlung für andere Kinder. Darüber hinaus bekommen Kinder den Bibliotheksausweis bis zum Ende der Schulzeit bzw. bis zum 18. Geburtstag kostenlos. Leseförderung ist auch Sprachförderung, wir wollen bei allen Angeboten erreichen, dass über die Medien, Bücher, Geschichten, Informationen gesprochen und berichtet wird.
8. Reicht denn, unabhängig von den Bedingungen im Gebäude, Ihr Anschaffungsetat entsprechend der Nachfrage aus?
Der in Fachkreisen geforderte Medienetat sollte 1,50 € pro Einwohner betragen. Unser Medienetat war in den letzten zehn Jahren großen Schwankungen unterworfen, was natürlich ein Problem ist, wenn man nicht kontinuierlich den Bestand aufbauen und pflegen, d.h. auch veraltete Medien aussortieren kann. Der Tiefpunkt war 2012 mit 56.000 € erreicht. Seitdem stieg unser Etat kontinuierlich, seit zwei Jahren haben wir jährlich um die 95.000 € für Medienkäufe zur Verfügung. Das ist nicht schlecht, aber immer noch unter der empfohlenen Summe. Ein aktueller und attraktiver Bestand wird gut ausgeliehen, das sehen wir deutlich. Die Nachfrage ist in verschiedenen Bereichen durchaus größer, aber wir haben ja so wenig Platz.
9. Bibliotheken stehen ja unter permanenter Kontrolle durch Statistiken, wie stehen Sie hier in Schöneberg im Wettbewerb?
Da stehen wir wirklich sehr gut da und freuen uns, dass unsere Arbeit so erfolgreich ist. In den letzten sieben Jahren haben sich die Besucher- und Ausleihzahlen der Mittelpunktbibliothek ständig nach oben entwickelt und 2018 mit fast 190 000 Besuchen und 516 000 Entleihungen einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Schon davor waren wir seit drei Jahren die ausleihstärkste Bibliothek im Bezirk. Einen großen Anteil daran haben die Familien, die unsere Kinderabteilung lieben und manchmal stürmen. Über 8000 Teilnehmende an unseren Veranstaltungen, die zu einem großen Teil im Kinderbereich stattfinden, sind dafür auch ein Beleg. Leider müssen wir für 2019 und 2020 wegen der wochenlangen Schließungen im Rahmen der Bauarbeiten (Erneuerung der Toiletten und Einbau des Aufzugs) mit einem Einbruch der Zahlen rechnen.
10. Können Sie bei der Fluktuation der Beschäftigten qualifiziertes Fachpersonal weiterhin sicherstellen oder benötigen Sie wie im Schulbereich bald Seiteneinsteiger?
Fluktuation durch ständige Zu- und Abgänge haben wir eigentlich nicht. Unser Team ist im Kern eine stabile, tolle Truppe. Allerdings findet gerade ein Generationenwechsel statt, übrigens in der gesamten Berliner Bibliothekslandschaft. Und tatsächlich macht sich auch bei uns der Fachkräftemangel bemerkbar. Es gibt nicht mehr so viele Bibliothekare auf dem Markt, vor allem solche, die das vielseitige Geschäft in öffentlichen Bibliotheken beherrschen. Da öffnet Herr Dr. Rickum, unser Chef, die Ausschreibungen auch für andere Studiengänge, z.B. Medienpädagogen. Die Ausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (Fami) gibt es noch gar nicht so sehr lange und ich bin froh, dass wir allmählich die Stellen im Servicebereich mit Famis besetzen konnten. Das sind gut ausgebildete Fachleute mit vielfältigen Fähigkeiten und Spezialkenntnissen z.B. im Veranstaltungs- oder IT-Bereich. Dafür werden sie allerdings viel zu schlecht bezahlt und deshalb ist die Bewerberlage auch hier schwierig.
Aktuell fehlen hier im Haus drei Personen, zwei Stellen sind noch unbesetzt und eine weitere in eine andere Bibliothek verlagert. Das schränkt unsere Angebotsvielfalt ein und belastet das vorhandene Personal.
Frau
Dominik, ich bedanke mich ganz herzlich für die ausführliche Beantwortung meiner zehn Fragen und wünsche Ihnen und Ihrem Team für die anstehenden Aufgaben den Erfolg, den Sie für notwendig
halten!
Zehn Fragen an die Leiterin der Stadtbibliothek Marienfelde, Frau Barbara Heinze-Dietschreit
1. Frau Heinze-Dietschreit, diese Stadtbibliothek wurde 1963 eröffnet, da lebte ich als Gymnasiast in der Nähe und war Kunde. Was hat sich seitdem grundlegend verbessert?
Zu meinem Bedauern kann eigentlich von Verbesserung keine Rede sein. Zwar umfassen die Räume der Bibliothek heute fast doppelt so viele Quadratmeter wie in den 60er Jahren, aber die Bevölkerung Marienfeldes ist auch gewachsen, und so kommen wir auch heute immer noch nicht auf die 1,5 Medien pro Einwohner. Marienfelde hat zurzeit ca. 32.000 Einwohner, wir müssten also 48.000 Medien bereitstellen. Was hier auf den zur Verfügung stehenden 356 qm natürlich nicht möglich ist.
2. Ihre Einrichtung liegt nach wie vor verkehrsgünstig an der B 101 in der Marienfelder Allee, aber der Großteil der Einwohner Marienfeldes lebt weiter südlich im Neubaugebiet, wo es kein Bibliotheksangebot mehr gibt. Was ist die Lösung?
Ja, die Bushaltestelle des M77 liegt direkt vor der Bibliothek, für die Nutzer des ÖPNV ist die Bibliothek verkehrsgünstig gelegen. Die Fahrradfahrer suchen auf der Marienfelder Allee jedoch vergeblich einen Fahrradweg. Und die Autofahrer, die auf dem Weg vom Arbeitsplatz zur Wohnung hier durchfahren, sehen keinen Grund, an der Bibliothek anzuhalten. Diese Teilung Marienfeldes – einerseits das alte Marienfelde um den S-Bahnhof herum, andererseits südlich der Hildburghauser Str. die Großwohnsiedlung Waldsassener Str. – wird nicht durch eine Veränderung des Bibliotheksstandortes aufzuheben sein.
3. Sie sind als Bibliothek in diesem Gebäude Hausherr, verfügen aber bloß über 356 qm, wo mindestens 500 qm geboten wären, und haben wie früher immer noch mit einer Jugendeinrichtung einen „Untermieter“?
Das Gebäude ist damals leider nicht als alleiniger Bibliotheksstandort gebaut, sondern für eine Jugendfreizeiteinrichtung, eine Bibliothek und eine Hausmeisterwohnung geplant worden. Bei dem Umbau 2012 ist ein Teil der Jugendfreizeiteinrichtung – die damalige Disco – zum Kinder- und Jugendbereich der Bibliothek geworden. Die ehemalige Hausmeisterwohnung beherbergt heute den Marienfelder Standort des Integrationsmanagements BENN (Berlin Entwickelt Neue Nachbarschaften). Alle drei Einrichtungen könnten mehr Platz gebrauchen.
4. Wie im gesamten Bezirk Tempelhof-Schöneberg ist auch in Marienfelde eine eklatante Unterversorgung mit Medieneinheiten festzustellen, gemäß dem üblichen Faktor 1,5 wären bei 32.000 Einwohnern 48.000 Medien notwendig, im Bestand sind aber nur gut 22.000?
Die Planung aller Bibliotheksbauten und -einrichtungen in Tempelhof-Schöneberg, die im 20. Jahrhundert entstanden sind, ist von einer gewissen Zaghaftigkeit und Knauserigkeit gekennzeichnet. Nirgendwo ist ein großer Wurf gelungen, der über die nächsten 20 Jahre hinausgedacht worden wäre. Wir hoffen, dass sich das mit der Alten Mälzerei in Lichtenrade und dann mit der Neuen Mitte Tempelhof nun zu ändern beginnt. Und dass dann die Auswirkungen auf die Stadtteilbibliothek Marienfelde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Denn auch der Ortsteil Marienfelde benötigt einen kulturellen Mittelpunkt.
5. Erfreulicherweise sind einige Renovierungs- und Ausbauarbeiten geplant, wird damit die Angebotsqualität steigen?
Die Angebotsqualität vielleicht nicht, aber wir hoffen, dass wir mit dem neuen Fußboden, der neuen Beleuchtungsanlage und den neuen Möbeln die Aufenthaltsqualität für unsere Nutzer*innen steigern können. Wenn das von diesen angenommen wird und dadurch sich unsere Zahlen weiterhin positiv entwickeln, könnte dies dann vielleicht auch zu einer Erhöhung des Medienetats führen, sodass dann auch die Angebotsqualität weiter steigen kann.
6. Die Ausleihstatistik und die Besucherzahlen sind im Aufwind, womit haben Sie und Ihre Kolleginnen das geschafft?
In den letzten drei Jahren haben wir konsequent darauf hingearbeitet, die Bestandspräsentation zu optimieren. Es wurden neue Regale für die Kinder angeschafft, die die Größe der Kinder berücksichtigen, das Areal der Bühne konnte vergrößert werden, somit haben die kleineren Kinder einen eigenen Bereich.
Wir haben unsere Kontakte zu den umliegenden pädagogischen und sozialen Einrichtungen intensiviert und versuchen, für die Leser*innen individuelle Beratung möglich zu machen.
7. Ihr Standort liegt in der Nähe des ehemaligen Notaufnahmelagers, hier wohnen viele Russlanddeutsche und heute Flüchtlinge. Können Sie auch sie als Kunden gewinnen?
Das ist nicht ganz einfach, denn wir haben mit unserem geringen Medienetat nicht die finanziellen Mittel, einen größeren arabischen oder russischen Medienbestand anzuschaffen und dann auch weiterzuentwickeln. Und es bleibt ja auch die Frage, ob dies der Integration förderlich wäre. So gehen wir andere Wege. In diesem Jahr fand das Nachbarschaftsforum Jugend im Kinderbereich der Bibliothek statt und auch die Lange Tafel der Nachbarschaft wurde aufgrund des Wetters in die Bibliothek verlegt. Beide Veranstaltungen wurden von BENN initiiert.
Im November wird bei uns im Rahmen von CrossKultur eine Lesung eines russischen Märchens auf Deutsch und auf Russisch stattfinden.
8. Als einziger Standort im Bezirk haben Sie einen regelmäßigen Literatur-Treff „LeseLust Marienfelde“ im monatlichen Angebot, was kann man darunter verstehen?
Am letzten Dienstag eines Monats treffen sich bei uns die Leser*innen, die Literatur nicht nur konsumieren wollen, sondern mit anderen darüber auch gern kommunizieren. Mit Irene Friedländer haben wir eine Moderatorin, die mit Charme und immer gut vorbereitet durch die Abende führt.
Die Bibliothek versucht, möglichst viele Exemplare des gerade besprochenen Titels zugänglich zu machen. Für die Mitglieder des Lesezirkels wird zum nächsten Termin ein persönlicher Brief mit Kurzinformationen über Autor und Buch bereitgestellt. In allgemeiner Form liegen diese Informationen, die damit gleichzeitig Einladungen sind, auch für alle anderen Leser*innen aus.
9. Ist mit knapp vier Stellen das personelle Angebot befriedigend oder könnte man bei einer Erhöhung die Öffnungszeiten noch ausweiten?
Unsere 3,75 Vollzeitäquivalente lassen natürlich den Wunsch nach mehr erwachsen, weil dann auch eine Erweiterung der Öffnungszeiten möglich wäre. Doch dagegen spricht unsere beengte Raumsituation. In den Büroräumen ist einfach kein Platz mehr für einen weiteren Schreibtisch.
10. Mit dem Umzug in die Alte Mälzerei vergrößert sich Ihr Nachbarstandort Lichtenrade gewaltig, andere moderne Bibliotheksformate sind möglich – was wünschen Sie sich für Marienfelde?
Mehr Platz, mehr Platz, mehr Platz. Denn auf einer größeren Bibliotheksfläche ließen sich mehr Mitarbeiter, mehr Medien und auch mehr Angebote unterbringen, was dann in längere Öffnungszeiten münden und damit zu einer noch größeren Leserzufriedenheit führen könnte.
Frau Heinze-Dietschreit, ich bedanke mich für die Beantwortung dieser Fragen und wünsche Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen für Ihre Bibliothek für die Zukunft mehr Platz, mehr Medien und einen größeren Etat!
Neun Fragen an die Leiterin der Stadtbibliothek Lichtenrade, Frau Andrea Ruhnow-Braun
1. Frau Ruhnow-Braun, Sie leiten seit 2 Jahren die Stadtteilbibliothek hier in Lichtenrade, was charakterisiert diese Einrichtung in einem ehemaligen Kinderkrankenhaus von den grundlegenden bibliothekarischen Fakten her?
Die Stadtteilbibliothek Lichtenrade ist die größte der Stadtteilbibliotheken und damit die drittgrößte Bibliothek im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Trotz Unterbringung im ersten Stock des ehemaligen Kinderkrankenhauses in der Briesingstr. 6 ist die Lage dieser Bibliothek in unmittelbarer Nähe des Geschäftszentrums Bahnhofstraße, mit sehr kurzen Wegen zum Bus und zur S-Bahn und einem kostenlosen Parkplatz am Haus als hervorragend zu bezeichnen.
Mit acht Stunden täglich - also 40 Wochenstunden - liegen die Öffnungszeiten der Bibliothek um ein Drittel höher als es der Zielwert des Bibliotheksentwicklungsplans vorgibt und damit weit vor denen der meisten Stadtteilbibliotheken in Berlin. An eine Erweiterung der Öffnungszeiten, insbesondere an eine Öffnung an den Samstagen, ist jedoch aufgrund der aktuellen Personalsituation nicht zu denken.
2. Wenn man diese Bibliothek betritt, blickt man nach wenigen Metern in einen unendlich lang erscheinenden Schlauch (siehe Foto). Welchen Einfluss hat das auf die Arbeit hier?
Die Unterbringung im 1. Obergeschoss des ehemaligen Kinderkrankenhauses mit dem weiten Anlaufweg durchs Haus ist suboptimal. Eine freundlichere und zeitgemäße Ausstattung der Räumlichkeiten, also eine Ausstattung, die die Aufenthaltsqualität der Nutzer stärker im Focus hat, ist aufgrund der ungünstigen langgestreckten Schlauchform nicht möglich.
Auch unseren Wünschen nach attraktiverer Bestandspräsentation sind durch die nicht veränderbare Raumstruktur Grenzen gesetzt.
Das Veranstaltungsprogramm während der Öffnungszeiten zu erweitern würde bedeuten, den „normalen“ Bibliotheksbetrieb zu stören.
3. Mit, wie von Ihnen beschrieben, nur 40.000 Medien kommt auf jeden Einwohner Lichtenrades nicht einmal ein Medium. Sind wir hier in Tempelhof damit immer noch die lange beschriebene „Kulturwüste“, wie kann das besser werden?
Als Kulturwüste möchte ich es nicht bezeichnen. Ja, statistisch gesehen ist der Ortsteil Lichtenrade zu gering ausgestattet. Medienvermittlung und -kompetenz ist uns im Rahmen unserer Arbeit ein zentrales Anliegen.
So nutzen wir auch das Internet um die Anfragen unserer Kund_innen zu beantworten. Ebenso unterstützen wir sie bei Recherchen im Verbundkatalog oder auch im Internet.
Unser Ziel ist, dass uns keine Besucher_in ohne eine nachgefragte Information verlässt. Sollten wir einmal ein Thema gar nicht bedienen können, nutzen wir die Bestände der anderen Bibliotheken im Verbund und helfen gerne bei der Bestellung von Medien oder die Digitalen Angebote – Onleihe, Overdrive, Tigerbooks, Pressreader u.a. des VÖBB. Besonders das Munzinger-Archiv und die Lexika verwenden wir im Auskunftsdienst als Quelle von aktuellen Informationen.
4. Sie haben mir gegenüber im Vorgespräch Ihre Besorgnis über die Jugendlichen von 15 bis 25 Jahren zum Ausdruck gebracht, die in Bibliotheken kaum noch aufzufinden sind, sehen Sie irgendeine Strategie, dem abzuhelfen?
Ich denke, es ist schwierig diese Altersgruppe für Bibliotheken zu begeistern. Aber gerade in der heutigen Zeit, in der immer mehr digital wird und alles sehr schnelllebig ist, sollte das Interesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen an Bibliotheken stärker unterstützt werden.
Ich denke, wir werden nie alle erreichen, jetzt noch nicht, aber mit gezielten Angeboten können wir Bibliothek wieder ins Gespräch bringen.
Dazu müssten wir Fragen stellen, z. B. Womit beschäftigen sich die Jugendlichen? Oder Was können wir, als Bibliothek tun, um sie zu unterstützen.
5. Welche IT-Angebote gibt es hier und wie könnten diese bei mehr Platz ausgebaut werden?
Die Stadtteilbibliothek bietet aktuell 10 Computerarbeitsplätze mit Office-Programmen und Zugang zum Internet. Von jedem Arbeitsplatz aus kann entweder in s/w oder farbig gedruckt werden, ein PC-Platz ist zusätzlich mit einem Scanner ausgestattet. Die Plätze verfügen zum Teil über Kopfhörer.
In unseren Räumen haben alle Nutzer_innen über ein freies W-LAN Zugang zum Internet.
Eine Erweiterung des Angebotes ist sowohl aufgrund der räumlichen als auch der finanziellen Situation aktuell nicht möglich.
6. Ist es tatsächlich wahr, dass Ihre Bibliotheksnutzer, sobald sie online zum Beispiel e-books ausleihen, bei den Ausleihzahlen hier nicht berücksichtigt werden, trotz aller Beratung in Ihrer Zweigstelle?
Ja, das ist richtig. Ab 2019 werden die Nutzungen der Digitalen Angebote der Berliner Stadtbibliotheken nur noch statistisch in den Grund- und Leistungsdaten erfasst.
7. Es ist ja erfreulicherweise der Umzug Ihrer Einrichtung in die Alte Mälzerei geplant, was könnte sich für die Bibliotheksnutzer verbessern?
Die Aufenthaltsqualität und auch das räumliche Angebot: So planen wir ein Mehr an Arbeitsplätzen, gemütliche Lounge-bereiche und auch Arbeitsräume, die von kleinen Arbeitsgruppen genutzt werden können.
Für die Bibliothek ist auch ein Café angedacht, welches selbst nach Schließung der Bibliotheksbereiche weiter genutzt werden kann.
Ein weiterer Planungsschwerpunkt ist die Medienpräsentation. So möchten wir gerne unsere Medien in Regalen präsentieren und nicht nur aufstellen, diese Regale sollen von allen Kundinnen und Kunden ohne Probleme zu erreichen sein. Dadurch wollen wir die Lust aufs Buch steigern.
8. Es gab ja in Tempelhof-Schöneberg schon andere Bibliotheksplanungen, zum Beispiel am Kaiser-Wilhelm-Platz, die letztlich krachend scheiterten. Für wie wahrscheinlich halten Sie die Realisierung in der Alten Mälzerei? Sollte der Freundeskreis verstärkt öffentlich Unterstützung betreiben?
Da sich alle zuständigen Ämter des Bezirkes zu diesem Projekt positiv geäußert haben, halte ich die Realisierung der „Alten Mälzerei“ für äußerst wahrscheinlich. Da wir uns der Unterstützung des Bezirksamtes und auch der Senatsverwaltung sicher sein können, sehe ich diese Bibliotheksplanung optimistisch.
9. Freuen Sie sich eigentlich auf Planungsarbeit und den Umzug zur Nordseite der Bahnhofstr. und können Sie Ihre zumeist jungen Mitarbeiterinnen dazu motivieren?
Ein eindeutiges Ja zu beiden Fragen. „Wenn wir umgezogen sind, dann können wir……“, so fangen häufig die Sätze beim Arbeiten an Ideen und Vorhaben die Attraktivität der Bibliothek zu verbessern an.
Heute scheitern wir häufig an den räumlichen Bedingungen, daher freuen wir uns auf den Umzug, um dann unsere Ideen und Pläne umsetzen zu können.
Frau Ruhnow-Braun, der Freundeskreis wünscht Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen viel Erfolg beim Umzug in die „Alte Mälzerei“ und der Einrichtung dieser publikumsfreundlichen Lichtenrader Zweigstelle.
Zehn Fragen an den Leiter der Bezirkszentralbibliothek Tempelhof-Schöneberg, Herrn Michael Ruhnke
1. Herr Ruhnke, Sie sind auf den Leitungsposten der Bezirkszentralbibliothek aus Steglitz-Zehlendorf gekommen: von der Bibliothek im Steglitzer „Schloss“, einem bibliothekarischen Highlight, hierher nach Tempelhof, in diesen maroden Kasten, wo es bei Dauerregen durchregnet und die Fenster von außen bereits zerbröselt sind, wie mein Foto zeigt. Wie haben Sie sich gefühlt?
Zunächst muss man zwischen den beiden Gebäuden unterscheiden: Die Bezirkszentralbibliothek (BZB) Steglitz-Zehlendorf wurde im Herbst 2006 eröffnet, die BZB Tempelhof-Schöneberg im Herbst 1978. Vor dem Neubau befand sich die ehemalige BZB Steglitz-Zehlendorf ebenfalls in einem alten, unansehnlichen und teilweise maroden Bau aus den Fünfzigerjahren. In den letzten Jahrzehnten wurde in das Eva-Maria-Buch-Haus von Bezirksseite offensichtlich nicht mehr ausreichend investiert bzw. waren nicht ausreichend finanzielle Mittel vorhanden, um die von Ihnen oben angesprochenen Probleme des Baus langfristig ausschließen zu können. Die unterdessen aktuelle Sanierungssituation des Hauses wurde im Rahmen einer Machbarkeitsstudie für einen Neubau ausführlich untersucht mit dem Ergebnis, dass eine Komplettsanierung insgesamt ca. 9 Millionen € kosten würde. Da die Bibliothek nicht nur mit dem maroden Bauzustand des Hauses zu kämpfen hat, sondern auch mit einer für heutige Bibliotheksbedürfnisse deutlich zu geringen Fläche und damit auch zu geringem Medienangebot, gilt es für mich als Leiter, alles dafür zu tun, die Idee einer neuen Bezirkszentralbibliothek im Rahmen eines neu zu bauenden Kulturbausteins am Tempelhofer Damm in zentraler Lage und entsprechender Größe zu unterstützen.
2. Geht es Ihnen besser, wenn der Freundeskreis in diesen Räumen hier öffentliche Veranstaltungen über die Zukunftspläne zur Neuen Mitte Tempelhof veranstaltet?
Auf jeden Fall. Die Unterstützung des Freundeskreises für eine neue Bezirkszentralbibliothek im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen, in denen interessierte Kund*innen der Bibliothek die Möglichkeit haben, am Gestaltungsprozess zu partizipieren, kann gar nicht genug gewürdigt werden.
3. Eine Ihrer ersten Aufgaben bestand darin, dieses Haus mit Ihren Kolleg*innen für teilweise neue Regale, einen neuen Teppichboden und Anstrich komplett auszuräumen und anschließend wieder einzuräumen. Lohnt sich der Aufwand, wenn dieses Haus sowieso abgerissen werden soll?
Zunächst muss im Bezirk und im Berliner Senat in diesem Jahr die Entscheidung für einen Neubau erst einmal gefällt werden. Geplant ist, dass das Eva-Maria-Buch-Haus in das neue Haus erst einzieht, wenn der entsprechende Neubau fertiggestellt ist. Die derzeitigen Planungen gehen im Bestfall von einer Bauzeit von 7 Jahren aus. Unabhängig davon wissen wir in Berlin, dass derartig große Bauvorhaben häufig auch mehr Zeit in Anspruch nehmen als geplant. Insofern wird die Bibliothek meiner Einschätzung nach noch mindestens 7-10 Jahre an ihrem alten Standort verbleiben, bis das neue Haus eröffnet werden kann. In dieser Zeit möchten wir unseren Kund*innen trotz schwieriger Rahmenbedingungen die bestmögliche Aufenthaltsqualität bieten.
4. Konnten Sie das IT-Angebot bei der teilweisen Modernisierung der Bezirkszentralbibliothek verbessern?
Langfristig ist vorgesehen, die Breitbandqualität für die Nutzung der Internet-PCs auszubauen und zu
verbessern, um unseren Kund*innen einen schnelleren Internetzugang bieten zu können. Weiterhin werden wir prüfen, ob langfristig auch ein Ausbau an Internetarbeitsplätzen in der Bibliothek
erfolgen kann.
Vor kurzem wurden in der BZB in Kooperation mit Warte-TV zwei Bildschirme installiert, um zukünftig noch publikumswirksamer auf Veranstaltungen und Angebote der Bibliothek hinweisen zu können.
Ein weiterer Bildschirm wird demnächst vor den Fenstern im Eingangsbereich installiert, sodass Passanten ebenfalls die Möglichkeit haben, sich auch außerhalb der Öffnungszeiten über die
Veranstaltungen und Angebote der Bibliothek zu informieren. Die Inhalte werden in Form einer Warteschleife in regelmäßigen Abständen wiederholt und sollen als zusätzliche Werbemöglichkeit für die
Bibliothek genutzt werden.
5. Was kann man abgesehen vom guten Baukonzept von den Einrichtungen in Steglitz-Zehlendorf lernen?
Die Bezirke Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg sind meiner Ansicht nach nur schwer miteinander zu vergleichen. So haben Sie es in den beiden Bezirken mit einer unterschiedlichen Nutzerklientel und Bevölkerungsstruktur im Einzugsgebiet der Bibliotheken zu tun. In Steglitz-Zehlendorf gibt es zudem weniger Standorte als in Tempelhof-Schöneberg. Obwohl Bibliotheksinhalte und -ziele in beiden Bezirken vergleichbar sind, sind organisatorische Abläufe aufgrund unterschiedlicher Strukturen und Personalausstattung verschieden. Grundsätzlich kann man festhalten, dass die Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Steglitzer Bezirkszentralbibliothek durch Außenterrassen, großzügige und lichtdurchflutete Räumlichkeiten, einen separaten Veranstaltungsraum mit entsprechender technischer Ausstattung, Möglichkeiten zum Arbeiten und Studieren und schließlich ein Lesecafé zu einer deutlichen Steigerung der Besucherzahlen geführt hat. Hier zeigt sich meiner Meinung nach deutlich die Wandlung der öffentlichen Bibliothek von einer klassischen Leihbibliothek zu einem Ort des Verweilens, des Austauschs und Arbeitens, in dem eine attraktive Aufenthaltsqualität für die Kund*innen immer wichtiger wird.
6. Sie und der Bibliotheksleiter des Bezirks sind jetzt erst kurze Zeit im neuen Amt. Gelingt es Ihnen, persönliche Akzente bei Ihrer Arbeit zu setzen?
Ich denke schon. Wir beide kommen aus unterschiedlichen Bezirken und bringen unterschiedliche Erfahrungen mit, die für die Bibliotheksarbeit in Tempelhof-Schöneberg durchaus von Interesse sein können. Der Leitungswechsel bietet meiner Ansicht nach auch die Möglichkeit, Betriebsabläufe und Prozesse neu zu evaluieren und ggf. zu modifizieren, um den heutigen, aber auch zukünftigen Anforderungen an eine öffentliche Bibliothek noch besser gerecht zu werden. Ich selbst stehe vor der großen Herausforderung, die relevanten Zahlen in der Kosten- und Leistungsrechnung für die Bezirkszentralbibliothek nach Möglichkeit langfristig zu verbessern, d.h. die Besucherzahlen, die Zahlen der Teilnehmer*innen an Maßnahmen zur Leseförderung und schließlich auch die Ausleihzahlen auszubauen. Erste Maßnahmen, etwa die Sanierung des Rosengartens zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Bibliothek, der Kauf von neuen Präsentationsmöbeln für den Bibliotheksbestand und die Einführung von regelmäßigen, monatlich stattfindenden Veranstaltungen im Erwachsenenbereich, wurden bereits erfolgreich umgesetzt.
7. Welche Schwerpunkte für eine moderne Bibliotheksarbeit kann man an diesem relativ maroden Standort setzen, zumal vor dem Hintergrund einer nachweisbaren Unterversorgung?
Wie oben bereits ausgeführt, geht es im Wesentlichen darum, zu evaluieren, welche zusätzlichen Maßnahmen im Haus noch möglich sind, um die Bibliothek trotz schwieriger Rahmenbedingungen für die Kund*innen noch attraktiver zu machen. Sowohl die Bibliotheksfläche mit ca. 4.200 qm als auch der Medienbestand mit ca. 91.000 Medien sind nach geltenden Bibliotheksstandards deutlich zu gering. Da die Bibliotheksfläche bereits an der Grenze ihrer Kapazitäten angelangt ist, würde selbst ein deutlicher Ausbau des Medienbestandes zwangsläufig dazu führen, dass es nicht genug Platz gibt, um die zusätzlichen Medien adäquat präsentieren zu können. Für eine eigene Jugendbibliothek mit entsprechendem Bestand ist derzeit im Haus nicht genügend Fläche vorhanden. So kann letztlich nur mit Hilfe eines adäquaten Bestandscontrollings und mit Durchführung von Nutzungsmonitorings versucht werden, trotz eingeschränkter Bibliotheksfläche einen an den Nutzerinteressen orientierten Bestand vorzuhalten. In den nächsten Jahren wird es ganz wesentlich darum gehen zu prüfen, inwieweit die Möglichkeit besteht, dem wachsendem Bedarf an zusätzlichem Raum zum Arbeiten und Studieren insbesondere für Schülergruppen gerecht zu werden, ohne die bereits begrenzte Fläche für die Kund*innen noch stärker einzuschränken. Ich denke hier beispielsweise an die Räumlichkeiten im Untergeschoss, die derzeit noch für verwaltungsinterne Arbeiten und das Magazin genutzt werden und möglicherweise nach entsprechender Prüfung auch anderweitig nutzbar wären. Daneben steht die Bibliothek natürlich vor der großen Herausforderung, die fortschreitende Digitalisierung von Informationen in ihren Angeboten zu berücksichtigen und ihrer Aufgabe gerecht zu werden, die für den Umgang mit digitalen Medien erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln. Die Bibliothek als digitaler Ort, in dem nicht nur digitale Medien zur Ausleihe bereitgehalten werden, sondern auch die Verknüpfung mit virtuellen Angeboten erfolgt, wird eine der Hauptaufgaben der Bibliothek in der Zukunft sein.
8. Sehen Sie Möglichkeiten, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, also mit den Nutzer*innen der Zukunft, weiterzuentwickeln?
Mit Jahresbeginn wurde die Leitung der Kinder- und Jugendabteilung in der Bezirkszentralbibliothek mit einer sehr engagierten Kollegin neu besetzt. Zukünftig wird es u.a. darum gehen, den Bereich der Leseförderung unter Einbindung der digitalen Entwicklungen auszubauen. Des Weiteren wird das Veranstaltungsformat erweitert, beispielsweise durch ein umfangreiches Sommerprogramm für Kinder und Jugendliche in den Ferien u.a. mit einem Kahoo-Quiz, Ausmalbildern, die über eine App anschließend digitalisiert lebendig werden, oder auch einem Workshop über Stop-Motion-Animation, in dem Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, selber Trickfilme herzustellen. Bereits etabliert hat sich im Bezirk der jährlich ebenfalls im Sommer durchgeführte Büchersommer, der am 18.06. startet und der sich bei den Kindern und Jugendlichen großer Beliebtheit erfreut. Da die Zielgruppe der Jugendlichen ab 14 Jahre für die Bibliotheken immer mehr an Bedeutung gewinnt, müssen gerade für diese besondere Zielgruppe Angebote geschaffen werden sowohl im Bereich des Medienbestandes als auch im Veranstaltungsbereich, die dazu führen, dass sich die Jugendlichen mit ihren Interessen in der Bibliothek wiederfinden.
9. Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Bibliothek und Freundeskreis noch intensiviert werden?
Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg übernimmt der Freundeskreis im Wesentlichen die Aufgabe, politisch aktiv zu werden und die Stadtbibliothek in ihren Interessen zu unterstützen. Zukünftig kann ich mir durchaus vorstellen, dass die bereits bestehende sehr gute Zusammenarbeit mit dem Freundeskreis noch intensiviert wird, beispielsweise durch gemeinsame Aktionen. Ein erster Anfang ist bereits gemacht durch die in diesem Jahr im Eva-Maria-Buch-Haus stattfindenden Workshops, in denen Bürger*innen die Möglichkeit haben, sich über den Stand der Planungen für einen möglichen Neubau der Bezirkszentralbibliothek zu informieren, Ideen und Vorstellungen mit dem Freundeskreis und der Bibliothek auszutauschen und dadurch aktiv am Entstehungsprozess teilzunehmen. Zusätzlich wird es für die Bürger*innen die Möglichkeit geben, im Rahmen einer Besichtigung des Eva-Maria-Buch-Hauses einmal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und Räumlichkeiten zu besichtigen, die den Kund*innen normalerweise verborgen bleiben. Anschließend ist für alle Besucher*innen ein Sommerumtrunk im Rosengarten vorgesehen.
10. Was wünschen Sie sich hier für die nächsten zehn Jahre?
Für die nächsten zehn Jahre wünsche ich mir, dass wir es trotz der schwierigen Rahmenbedingungen schaffen, für unsere Kund*innen weiterhin attraktiv zu bleiben und möglicherweise sogar Neukund*innen zu gewinnen, um unsere Zahlen insgesamt zu verbessern. Des Weiteren hoffe ich natürlich sehr, dass unser Wunsch nach einem Bibliotheksneubau im Rahmen eines Kulturbausteins am Tempelhofer Damm in diesem Jahr vom Senat und Bezirksamt positiv beschieden wird und wir dadurch die einmalige Möglichkeit erhalten, eine an den zukünftigen Bedürfnissen ausgerichtete moderne öffentliche Bibliothek mit umfangreichen Serviceangeboten zu schaffen und damit auch einen kulturellen Meilenstein in Tempelhof für alle Bürger*innen des Bezirks.
Herr Ruhnke, danke für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen! Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute und als Leiter der Bezirkszentralbibliothek viel Erfolg bei Ihrer anspruchsvollen Aufgabe!
Ich freue mich sehr, dass nach all dem Hin und Her und der mehrjährigen Wartezeit auf eine positive Entscheidung der BVV nunmehr mit einer Auslieferung des Busses im Herbst 2018 gerechnet werden kann. Die Ausschreibung hatte 3 unterschiedliche Angebote zur Folge, die eingehend geprüft wurden. Im November konnte dann die Bestellung ausgelöst werden. Der mit modernster digitaler Technik ausgestattete Bücherbus wird wieder all die Regionen anfahren, die bibliothekarisch gesehen einen festen Standort nicht in nächster Nähe haben, z.B. in Mariendorf oder aber gegenüber des Rathauses Friedenau. Darüber hinaus prüft der Fachbereich die derzeitigen Standorte und Haltezeiten darauf, ob diese geändert oder erweitert werden könnten.
Seit Jahren erarbeitete der Fachbereich Stadtbibliotheken Konzepte, mit denen unsere bezirklichen Bibliotheken gestärkt werden können. Unabdingbar sind hierzu die bauliche Herrichtung der Standorte zum „Wohnzimmer der Stadtgesellschaft“. Das bedeutet nicht nur die Sanierung von maroden Toiletten und den Einbau von Aufzügen, wie für 2018 in der Mittelpunktbibliothek an der Hauptstraße geplant, sondern vor allem die dringend benötigten Flächenerweiterungen, damit kommunikative Ansätze wie Arbeits- und Aufenthaltsräume für unterschiedliche Zielgruppen überhaupt realisiert werden können. Die Bibliotheken müssen dringend Aufenthaltsqualität erreichen, ein Café für die Nutzerinnen und Nutzer z.B. ist heute kein Luxus mehr, sondern Voraussetzung, um dem Anspruch unserer Besucherinnen und Besucher gerecht werden zu können. Bibliotheken sind nicht nur Orte des Wissens und der Bildung, sondern auch Orte, Neues zu erfahren, sich darüber auszutauschen mit anderen ggf. auch auszuprobieren. Lebendige Orte für alle Bürgerinnen und Bürger, für Groß und Klein – ohne Verzehrzwang, aber mit dem Anspruch, gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Die sehr gelungene Veranstaltung des Freundeskreises mit Bezirkspolitikern und –politikerinnen hat gezeigt, dass zwischen den unterschiedlichen Fraktionen der BVV große Einigkeit darin besteht, den sog. Kulturbaustein „Bibliothek +++“ zu ermöglichen. Das Areal rund um das Rathaus Tempelhof sollte in der Tat neu geformt werden - mit dem Blick auf die Herausstellung historischer Stätten, wie z.B. der alten Tempelhofer Dorfkirche und der Parks, aber auch die Bedürfnisse der wachsenden Stadt und des bisher nicht ausreichenden kulturellen Angebots in Tempelhof müssen bei einer Neuplanung berücksichtigt werden. Wohnungsbau allein garantiert noch keine Lebensqualität, Kunst und Kultur können hier an einem Ort Synergieeffekte nutzen, Kosten des Betriebs niedrig halten und ihr vielfältiges Angebot als VHS, Musikschule, Galerie und Bibliothek den Tempelhofern offerieren. In Zeiten wachsender Steuereinnahmen sehe ich optimistisch in die Zukunft und glaube, dass wir mit dem Alleinstellungsmerkmal eines gemeinsamen Kulturbetriebes in der Neuen Mitte Tempelhof die federführenden Senatsverwaltungen von der Realisierung überzeugen können.
Zurzeit arbeiten wir daran, die Kosten so realistisch wie möglich aufzulisten, um eine Wirtschaftlichkeitsberechnung mit dem Ziel der „schwarzen Null“ aufzustellen. Das sieht zurzeit recht gut aus. Mit unseren Zahlen müssen wir auch hier SenFin überzeugen, denn sie und das Abgeordentenhaus müssen der Anmietung einer Fläche zustimmen. Die Abstimmungen mit dem Investor laufen bereits erfolgreich seit einigen Monaten und der Fachbereich erwartet auch hier deutliche Steigerungen von Ausleihen, Besuchern und Veranstaltungen, wenn mehr Fläche und auch Veranstaltungsräume zur Verfügung stehen.
Wie bereits gesagt, wir freuen uns natürlich über die längst überfällige Toilettensanierung und den Einbau eines Aufzuges, damit Eltern mit Kinderwagen ober mobilitätseingeschränkte Personen auch in das 1. Stockwerk mit der Kinderabteilung gelangen können. Die Mittelpunktbibliothek platzt allerdings derzeit aus „allen Nähten“, hat erhebliche Zuwächse an Ausleihen und Besuchern und könnte viel mehr Veranstaltungen und Medien anbieten, wenn sie die Fläche dafür hätte. Die ersten Studien haben Erweiterungsmöglichkeiten gezeigt, welche realistisch umgesetzt werden können, wollen wir den Bereich FM prüfen lassen. Wir werden daher erneut die MPB für die bezirkliche Investitionsliste 2019-24 anmelden.
Seitdem ich das Amt übernahm, habe ich mich mit der BVV über den weiteren Weg der Stadtbibliothek in unserem Bezirk kritisch auseinandergesetzt. In Kontinuität mit meinem Vorgänger Dieter Hapel haben die Fachabteilung und ich immer wieder in diversen Konzepten auf die veränderten Erfordernisse moderner Bibliothekskonzeptionen hingewiesen. Spektakulär gescheitert sind wir mit dem Vorhaben, in das alte Hertie-Gebäude am Schöneberger Kaiser-Wilhelm-Platz einzuziehen. Die Planungen waren damals weit gediehen, das Mietangebot ernsthaft und vergleichbar günstig, dennoch konnte sich die BVV mehrheitlich nicht zu einer Veränderung hin zu einem integrierten Bildungs- und Kulturzentrum entschließen. Das ist außerordentlich zu bedauern, dennoch, wir müssen nach vorn schauen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachabteilung und ich, wir haben nicht aufgegeben, und so ist auch die Weiterentwicklung zur Neuen Mitte Tempelhof vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen zu verstehen. Wir haben, wenn Sie so wollen, Bewusstseinsbildung betrieben, einige BVV-Mitglieder bewegen sich in ihrer Auffassung über moderne Bibliotheksarbeit nach vorn.
Der Beschluss, 100T€ im Medienetat zu sperren, ist allerdings völlig kontraproduktiv und berücksichtigt nicht, dass wir ohnehin immer weiter am Standortkonzept arbeiten. Die Sperre bedeutet, dass mindestens in den ersten Monaten des Jahres 2018 bis zur Vorlage eines Berichts an den Hauptausschuss Medien im vorgesehenen Maße nicht angeschafft werden können und damit der Bestand nicht erneuert oder erweitert werden kann. Die Entsperrung der Mittel ist abhängig von der Entscheidung des Hauptausschusses. Zum Fortbestand der kleinen Schöneberger Standorte vertreten die Fraktionen dem Vernehmen nach unterschiedliche Meinungen, so dass ich nicht sicher bin, ob es tatsächlich zu einer Entsperrung der Mittel kommt, wenn wir unsere fachlich geprägte Auffassung darlegen.
Im Vergleich zu anderen Bezirken verfügen wir bislang leider nicht über die Möglichkeiten, europäische Fördermittel zur Sanierung oder zum Neubau zu beantragen, weil kein Standort in der sog. Gebietskulisse liegt, d.h. die notwendigen Mittel müssen vom Land oder vom Bezirk allein aufgebracht werden. Ich spüre derzeit einiges Verständnis für unser Anliegen und hoffe, dass es sich konkret in den nächsten Jahren in Standortveränderungen und –verbesserungen niederschlägt und auch in der Entsperrung des Medienetats.
Ich denke, dass der sehr aktive Freundeskreis einen großen Anteil an diesen Einsichten hat.
Die beiden Fragen gehören für mich zusammen: Selbstverständlich. Wir wissen, dass die Bibliothek aus der Sophie-Scholl-Schule über kurz oder lang ausziehen muss. Der Standort selbst ist denkbar ungünstig gelegen, in der näheren Umgebung ist das bibliotheksaffine Publikum rar. Deshalb kann eine bibliothekarische Versorgung nur über besonders strukturierte, neue Angebote angegangen werden. Kurz- oder mittelfristig wäre das die Fahrbibliothek, langfristig kann allerdings überlegt werden, ob ein völlig neues Konzept wie z.B. ein „Maker –space“ in Kooperation mit anderen Fachbereichen, z.B. dem Jugendamt, aufgelegt werden könnte. Dazu bedarf es entsprechender Räumlichkeiten, Mittel, Personal jenseits der Fachrichtung „Bibliothekar/in“ und, natürlich, wirtschaftlicher Perspektiven.
Mittlerweile macht sich in den Stadtbibliotheken der Generationenwechsel bemerkbar. Wir haben viele neue, auch junge Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gewonnen, die ihre Vorstellungen in die Weiterentwicklung der Standorte einbringen wollen und auch sollen. Die Digitalisierung schreitet auch bei den Stadtbibliotheken mit großen Schritten voran. Vor wenigen Wochen fand ein Workshop, organisiert vom VöBB und der ZLB zu zeitgemäßen Zielsetzungen der Bibliotheksarbeit statt. Als Vorsitzende der Verbundkonferenz begrüße und fördere ich diese Aktivitäten außerordentlich. So haben wir Bezirksstadträte doch in der vergangenen Wahlperiode, übrigens gemeinsam mit Herrn Dr. Rickum, ein im Senat dann beschlossenes Strategiekonzept „Bibliotheken für die Metropole Berlin“ entwickelt. Leider ist der dazu entwickelte „Sideletter“, mit den geforderten Standards für Ausstattung und Finanzierung nicht im Senat beschlossen worden, hat aber aufgezeigt, welche personellen und finanziellen Mittel eine funktionierende Bibliothek benötigt. Auch in der Entwicklung der Sozialen Infrastrukturkonzepte (SIKO) spielen Kennzahlen eine sehr wichtige Rolle für die Vergleichbarkeit der Leistungen.
Ich bin sehr erfreut über die Aktivitäten und Unterstützung des Freundeskreises, weil er aus der Mitte der Bürgerinnen
und Bürger heraus seine Forderungen formuliert. Das hat noch einmal eine besondere Bedeutung, weil es eben nicht die berufsmäßigen Politikerinnen und Politiker sind, auch nicht die
parteigebundenen Bezirksverordneten, sondern die Mitglieder als NGO’s vielleicht von der Öffentlichkeit ernster genommen werden. Mein Wunsch wäre, dass weiterhin die Arbeit der
Stadtbibliotheken so positiv begleitet wird und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern daraus die Anerkennung erwächst, die ihnen gebührt.
Frau Kaddatz, ich bedanke mich für die ausführliche Beantwortung unserer Fragen und wünsche Ihnen im neuen Jahr viel Erfolg bei den vielen Projekten im Bibliotheks- und
Kulturbereich!
Zehn Fragen an den Leiter der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg, Herrn Dr. Boryano Rickum, gestellt am 2. November 2017 vom Webmaster der Freundeskreis-Webseite, Dr. Gerhard Weil
1. Herr Dr. Rickum, Sie haben Ihr Amt von Herrn Dr. Boese übernommen zu einem Zeitpunkt, an dem viele neue Aufgaben und Herausforderungen im Bibliothekswesen des Bezirks Tempelhof-Schöneberg auf Sie und alle an Bildung und Kultur Interessierte zukommen. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Eine spannende Frage. Ich meine, unsere Stadtbibliothek erlebt gerade eine Zeit des großen Wandels. Ich sehe im Wesentlichen drei Punkte, welche zu diesem Wandel und damit zu einer konkreten Entwicklungsnotwendigkeit unserer Bibliotheken beitragen:
Da ist erstens der allgemeine Wandel der Zeit: Klar ist zunächst, die digitale Revolution und die übrigen rasanten technischen Fortschritte üben einen enormen Einfluss auf unsere Gesellschaft aus. Eine Auswirkung dessen lässt sich etwa im Wandel unserer traditionellen Kulturtechniken beobachten, d.h. also in den sich verändernden Arten, wie die Menschen heute lesen, schreiben und lernen oder überhaupt Informationen beziehen, kommunizieren und begreifen. Das ist eigentlich keine überraschend neue sozio-kulturelle Erkenntnis mehr. Allerdings verändern sich vor diesem Hintergrund ganz wesentlich die Wissens-, Informations- sowie die Kulturbedürfnisse der Menschen. Das bedeutet für uns konkret, dass wir zum Beispiel unsere Angebote zur Förderung der Lese-, Medien- und Informationskompetenz anpassen müssen. Wir müssen uns zudem von dem Gedanken verabschieden, dass Bibliotheken ein Monopol auf die Zugänge zu Informationen und Wissen besitzen. Längst hat uns das Internet diese Funktion streitig gemacht. Statt nun irgendwie zu versuchen, diese Situation aufzuhalten, sollten wir uns die Frage stellen, welche Angebote und Funktionen wir für die Menschen in unserer Stadt und unserem Bezirk noch bereitstellen und ausfüllen. Diese gilt es dann zu stärken und weiterzuentwickeln. Ich sehe hier aber ein sehr großes Potential.
Ich denke zum Beispiel, bei uns allen müsste politisch gesehen die Erkenntnis gereift sein, dass die freiheitliche Grundordnung unserer Bundesrepublik rund 70 Jahre nach ihrer Entstehung zwar ein starkes Fundament besitzt, aber dennoch einer breiten Zivilgesellschaft bedarf. Wir dürfen nicht vergessen, dass unser demokratisches System kein Selbstläufer ist, kein Automat, der ohne unser aller zutun funktioniert. Die Zivilgesellgesellschaft braucht jedoch öffentliche Räume und Foren. Sie benötigt niedrigschwellige Orte, an denen sich ihre Akteure mit ihren unterschiedlichen Ansichten begegnen und auf Augenhöhe miteinander diskutieren können. Orte, an denen sie sich über aktuelle gesellschaftliche und politische Fragen informieren und Wissen austauschen können. Eine fundierte und konstruktive Streitkultur – oder anders gesagt: ein Wettbewerb der Meinungen ist für unsere gemeinsame Welt, die wir uns alle außerhalb unserer privaten Reiche miteinander teilen, immens wichtig. Ein solcher Wettbewerb hilft uns unseren politischen Willen zu schärfen. Hier bin ich überzeugt, dass wir mit unseren Bibliotheken einen wesentlichen Beitrag leisten können und müssen: Mit unseren traditionellen Angeboten konnten wir schon seit jeher zur ausgewogenen Einordnung von politischen Nachrichten und Ereignissen sowie zur Entlarvung von Falschinformationen als auch zur Kontextualisierung von aktuellen gesellschaftlichen Debatten beitragen. Wir müssen allerdings noch viel stärker eine kritische Medien- und Informationskompetenz einfordern, fördern und vermitteln. Es geht also darum, dass wir uns als Forum der Stadt- und Bezirksgesellschaft für den politischen Wettbewerb der Meinungen anbieten und Debatten etwa zur Entwicklung des Kaiser-Wilhelm-Platzes in Schöneberg, zur Neuen Mitte in Tempelhof oder zur Zukunft der EU viel intensiver mit entsprechenden Diskussionsangeboten begleiten – natürlich immer mit kuratiertem Wissen aus unseren analogen und digitalen Medienbeständen.
Kurz gesagt: Als Stadtbibliothek müssen wir deutlich auf den gesellschaftlichen Wandel unserer Zeit reagieren und unsere Arbeit, unsere Angebote sowie unsere Struktur und Organisation – und damit also auch unseres bisheriges Selbstverständnis – entsprechend anpassen. Dabei erscheint es zwingend geboten, nicht nur mit den anderen Bibliotheken in Berlin zusammenzuarbeiten, sondern zuvorderst mit den übrigen Fachbereichen des Amtes für Weiterbildung und Kultur, also der VHS, der Musikschule sowie dem Bereich Kunst, Kultur & Museum. In Zukunft werden die inhaltlichen Schnittstellen unserer Fachbereiche immer wichtiger für das Gelingen unserer Aufgaben.
Damit sehe ich als zweiten Punkt notwendiger Weise auch Entwicklungsbedarf bei unseren verschiedenen Häusern:
Wie gerade schon dargestellt, ist es mittlerweile keine wahnsinnig neue Erkenntnis mehr, dass sich gegenwärtig die Bedeutung innerhalb der Kernaufgaben von Öffentlichen Bibliotheken verschiebt: Weltweit lassen sich in den letzten Jahren rückläufige Medienausleihzahlen beobachten. Dieser Trend wird nun auch in Berlin spürbar. Die klassische Distribution von Medien und Informationen ist also nicht mehr das alleinige Maß der Dinge. Ich habe es vorhin schon gesagt, wir merken ein verändertes Informationsverhalten der Menschen, nicht zuletzt verursacht durch das Internet. Aber trotz dieser anhaltenden Revolution der digitalen Informationswelt erlebt die Bibliothek als realer und öffentlicher Ort eine regelrechte Renaissance.
Das stellen wir auch ganz konkret hier im Bezirk fest. Die Leute nutzen heute die Bibliothek ganz anders als noch vor einigen Jahren. Auffällig ist, dass sie nicht mehr nur ausschließlich vorbeischauen, um Medien zu leihen und schnell wieder zu gehen, sondern immer häufiger verweilen unsere Nutzerinnen und Nutzer im Haus. Zum Teil auch, ohne überhaupt irgendetwas auszuleihen: Sie lesen, lernen, surfen im Internet, entwickeln Ideen, bilden sich Meinungen, treffen andere Menschen und tauschen sich aus, lernen sich kennen, arbeiten und spielen bei uns. Vielleicht flirten und verlieben sie sich auch bei uns? Wie auch immer, sie kommen alleine und in Gruppen. Sie suchen unter Vielen die Einsamkeit oder im Gegenteil als Einsame die Begegnung mit den Vielen in einem sicheren öffentlichen Raum. Damit ist klar, dass sich die Häuser dieser veränderten Nutzung anpassen müssen. Im Kern geht es mir also darum, dass wir die Standortbedingungen und Flächengrößen sowie die Infrastruktur der Publikumsbereiche unserer Häuser überprüfen müssen: Genügen diese noch den Bedürfnissen und Anforderungen unserer Nutzerschaft?
Eine sehr konkrete Frage ist, was mit der Gertrud-Kolmar-Bibliothek in Schöneberg Nord geschehen soll, für die wir dringend eine neue Perspektive entwickeln müssen. Auf lange Sicht gilt dies ebenso für die Thomas-Dehler-Bibliothek, die seit vielen Jahren in einer ziemlich beeindruckenden Weise von einem sehr engagierten Team ehrenamtlich geführt wird, allerdings aus einer bibliothekspolitischen, vor allem aber aus einer wirtschaftlichen Sicht eine zunehmende Herausforderung für die Stadtbibliothek als Ganzes darstellt.
Schließlich ist der personelle Generationswandel, den die Stadtbibliothek gerade durchläuft, der dritte Punkt:
Fast die Hälfte unserer bestehenden Personalstellen werden wir aufgrund des altersbedingten Ruhestands verdienter Kolleginnen und Kollegen wiederbesetzen müssen. Dieser Prozess hat bereits in den letzten zwei, drei Jahren begonnen und wird noch etwa dieselbe Zeit anhalten. Das ist in meinen Augen eine spannende Situation, da sie uns die Gelegenheit gibt, die Organisationsstruktur an neue Herausforderungen und Aufgaben der Bibliothek anzupassen und diese damit zukunftsfähig zu gestalten. Gleichzeitig ist es aber auch eine große Herausforderung, da es ebenso darum geht, das Fachwissen und die wertvollen Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen, die kurz vor dem Ruhestand stehen, für die Organisation zu bewahren. Unser kompetentes Personal ist und bleibt die wichtigste und gleichsam wertvollste Ressource für die Arbeit der Stadtbibliothek.
2. Sie waren vorher verantwortlich in der Stadtbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg beschäftigt. Was sind die größten Unterschiede zu Ihrem neuen Aufgabenfeld?
Zu dieser Frage fallen mir spontan wieder drei Punkte ein: Da wäre zunächst die Tatsache, die Leitung einer Stadtbibliothek nicht mehr länger in einem Tandem mit meiner geschätzten Kollegin Julia Weis zu bestreiten. Genauso wie ich nun hier in Tempelhof-Schöneberg übernimmt sie jetzt drüben in Friedrichshain-Kreuzberg alleinig das Steuer.
Dann finde ich hier andere ökonomische Rahmenbedingungen vor. Die Bibliothek in Fhain-Xberg zählt gemäß der auf einer Kosten und Leistungsrechnung basierenden Budgetierung zu den Gewinnern. Sie ist dort traditionell eine Cashcow, die mit ihrem erwirtschafteten Budget andere Bereiche im Amt mitträgt. Dies stellt sich hier im Bezirk leider spiegelverkehrt dar. Wir haben einiges aufzuholen. Dies ist allerdings eine große Herausforderung, die ich gerne annehme und sportlich betrachte. Wichtigstes Ziel an dieser Stelle für die Zukunft ist die wirtschaftliche Konsolidierung der gesamten Stadtbibliothek. Ein Grund mehr also, die Bibliothek weiterzuentwickeln und neue Angebote zu schaffen.
Schließlich zählt zu den größten Unterschieden wohl die Fahrbibliothek, die es in Friedrichshain-Kreuzberg
nicht gibt. Bis zu meinem Antritt hier in Tempelhof-Schöneberg habe ich mir ehrlich gesagt kaum Gedanken über die Möglichkeiten von Fahrbibliotheken gemacht. Aber mir ist dann sehr schnell klar
geworden, dass wir als Stadtbibliothek mit einem Bibliotheksbus im Grunde ein äußerst flexibles Mittel besitzen, um auf sich schnell verändernde bzw. kurzfristig entstandene Bedürfnisse im Bezirk
reagieren zu können, schneller als mit festen Standorten. Was ich damit meine ist, dass wir uns im Prinzip wesentlich flexibler an neue Anforderungen und Bedürfnisse der bibliothekarischen und
flächendeckenden Versorgung des Bezirks anpassen können, indem wir unser Haltestellennetz entsprechend umstellen oder erweitern. Das lässt sich mit unseren festen Häusern nicht so einfach
machen.
3. Das Bezirksamt hat jüngst den Ankauf eines neuen Bücherbusses mittels Ausschreibung beschlossen. Was kommt jetzt an Arbeit auf Sie und Ihre KollegInnen zu?
Die Entscheidung für einen neuen Bücherbus hat uns sehr gefreut. Der Freundeskreis hat ja auch mit seiner Kampagne wesentlich dazu beigetragen. Mit dem neuen Bus haben wir jetzt die Chance, den Service und die Angebote der Fahrbibliothek noch weiter zu verbessern. Dazu stecken die Kolleginnen und Kollegen dort auch schon eine Weile die Köpfe zusammen, um neue Konzepte zu entwickeln, insbesondere mit Blick auf das bisherige Haltestellennetz: Mit dem neuen Bus werden wir ja wieder die Möglichkeit haben, jeden Winkel des Bezirks anzufahren. Uns sind dann im Grunde nur noch durch die physischen Maße des Busses Grenzen gesetzt.
Zudem können wir aber auch durch die moderne Technik im Bus neue Angebote entwickeln. So wird der Bus
mittels WLAN einen kostenfreien Zugang ins Internet anbieten können. Auch hat die Busbesatzung durch die Anschaffung eines Tabletkoffers, der mit insgesamt 10 Geräten bestückt ist, neue
Möglichkeiten für ihre bibliothekspädagogischen Veranstaltungen. Wir haben hier in der Tat also einiges zu tun.
4. Die Bezirkszentralbibliothek bekommt neue Regale und einen neuen Teppichboden, wie geht es mit dem Standort weiter?
Wir wollen, dass sich unsere Nutzerinnen und Nutzer so wohl wie möglich bei uns fühlen. Daher war der Austausch der alten Teppiche im Publikumsbereich dringend geboten. Und mit den neuen Regalen werden wir in der BZB zugleich auch ein neues Leitsystem einrichten, damit sich unsere Nutzerschaft besser orientieren kann und schneller zurechtfindet.
Diese Maßnahmen waren wichtig, selbst vor dem Hintergrund eines anvisierten Neubaus für die Bibliothek im
Zuge des Stadtentwicklungsprojektes ‚Neue Mitte Tempelhof‘, auf dessen Entscheidung zur Durchführung wir übrigens sehr hoffen. Denn wir müssen davon ausgehen, dass bis zu Fertigstellung eines
Neubaus noch einige Jahre vergehen werden. Solange bleiben wir ja noch in diesem Haus, das also auch bis dahin bestehen bleibt. Insofern müssen wir auch weiterhin dafür Sorge tragen, dass das
Haus funktioniert und eine möglichst hohe Aufenthaltsqualität aufweist. Das bedeutet aber in der Tat, dass wir sehr genau schauen müssen, welche baulichen Maßnahmen in diesem eigentlich sehr
sanierungsbedürftigen Gebäude noch umgesetzt werden sollten, welche noch möglich sind und auch Sinn machen.
5. Der Freundeskreis setzt wie Sie alle Hoffnungen auf das Stadtentwicklungs-projekt ‚Neue Mitte Tempelhof‘. Was ist darunter zu verstehen und wie
sind die Realisierungschancen?
Dieses Stadtentwicklungsprojekt ‚Neue Mitte Tempelhof‘ verfolgt im Kern das Ziel der Schaffung von rund 500 Wohneinheiten und damit einhergehend infrastrukturelle Entwicklungsmaßnahmen gerade in dem Gebiet, in dem sich grob gesprochen unser Maria-Buch-Haus, das Schwimmbad, als auch die Polizeistation befindet. Es folgt damit der Strategie der städtischen Verdichtung. Aber zu diesem Zweck ist eine Standortverlagerung der Bibliothek unumgänglich. Geplant ist dafür ein Neubau, gleich neben dem Rathaus am Tempelhofer Damm. Für uns bietet dieses Projekt damit enorme Entwicklungschancen. Ausgehend von den Herausforderungen und der sich wandelnden Bibliotheksnutzung, die ich Ihnen vorhin bei der Eingangsfrage geschildert habe, erscheint ein Neubau überaus sinnvoll. Wir planen dort mit einer Fläche, die rund doppelt so groß ist, wie die Jetzige. Dadurch können wir nicht nur unsere Medien viel besser präsentieren. Wir sind dann vielmehr in der Lage, Flächen für die unterschiedlichsten Situationen anzubieten: Gruppen- und Einzelplätze mit entsprechender technischer Infrastruktur zum lesen, lernen, arbeiten, Ideen entwickeln und Wissen teilen; pädagogische und kulturelle Veranstaltungen; laute Zonen; stille Zonen; Spielzonen; Ruhezonen; Experimentierzonen; Begegnungszonen; Debattierzonen; usw.
Die Ideen zum Neubau gehen aber noch weiter. Und zwar weit über den Fachbereich Bibliotheken hinaus: Angedacht ist nicht nur eine neue und größere Bezirkszentralbibliothek, sondern vielmehr ein großer Kulturbaustein, der auch die übrigen Fachbereiche unseres gesamten Amtes für Weiterbildung und Kultur miteinbezieht: die VHS, die bezirklichen Galerien und Museen sowie die Musikschule. Unser Anspruch hier, nicht ein Gebäude für vier strikt voneinander getrennte Bereiche zu bauen. Es geht vielmehr darum, ein Raum- sowie ein Angebotskonzept zu finden, welches von den fachlichen und inhaltlichen Schnittstellen aller Bereiche ausgeht und diese gemeinsam denkt: Warum nicht die Sprachlernbestände der Bibliothek dort planen, wo die VHS Seminarräume für ihre Sprachkurse vorsieht? Oder einen Proberaum der Musikschule, der sich innerhalb des Bibliotheksbereiches in der Nähe der Noten- und Musikbestände befindet, bestückt mit Instrumenten zum direkten Ausprobieren? Warum nicht eine Artothek etablieren, mit Kunstwerken aus der bezirklichen Kunstsammlung, die sich zugleich über die Bibliothek ausleihen lassen? Oder was halten Sie von der Schaffung eines Zentrums für Tempelhof-Schöneberg-Studien, gemeinsam organisiert vom Bezirksarchiv und der Bibliothek, wo die Menschen die Geschichte und Kultur des Bezirks erforschen und zugleich mit ihren eigenen Biografien, Lebensgeschichten und Werken anreichern können, begleitet und unterstützt durch entsprechende Veranstaltungen von VHS und Musikschule?
Natürlich hängt es gegenwärtig noch von der politischen Entscheidung auf Landesebene für das Projekt Neue
Mitte Tempelhof ab, ob wir derartige und weitere Ideen auch umsetzen können. Ich hoffe, dass wir die politische Sphäre ebenso von diesen Ideen begeistern und überzeugen können.
6. Für die Mittelpunktbibliothek in der Schöneberger Hauptstraße sollen die maroden, stinkenden Toiletten saniert werden und ein Besucherfahrstuhl in den 1. Stock u.a. zum Erreichen der Kinder- und Jugendabteilung eingebaut werden, ist das Projekt gesichert und reicht das schon aus?
Ja, das Projekt ist gesichert und auch hier freuen wir uns auf die Umsetzung eines ganzen Pakets von Maßnahmen, zu dem übrigens mehr gehört, als ‚nur‘ die Toilettensanierung und der Aufzugseinbau. Aber diese beiden Maßnahmen gehören aus unserer Sicht sicherlich zu den dringlichsten Vorhaben, welche die Theodor-Heuss-Bibliothek betreffen. Für unsere Nutzer bestimmt noch interessant sind geplante Maßnahmen wie die Neugestaltung des Vorplatzes der Bibliothek mit Sitzmöglichkeiten und weiteren Grünflächen sowie weitere großformatige und beleuchtete Hinweise auf unsere Bibliothek und das Museum an beiden Seiten des Lassenparks (Hauptstr. und Belziger Str.). Gerade finden ja auch Veränderungen im Lassenpark selbst statt, die bereits zu einer besseren Zugangssituation sowie zu einer erhöhten Sichtbarkeit der Bibliothek führen werden, etwa durch die Veränderung des Verlaufs sowie Neubefestigung der Wege.
Auf lange Sicht reichen diese Maßnahmen allerdings nicht aus. Denn auch an diesem Standort ist klar, dass wir eine Flächenerweiterung benötigen. Nach dem Scheitern der Idee einer Standortverlagerung in das ehemalige Hertie-Gebäude hat sich der Bedarf sogar noch erhöht. Letztlich geht es auch hier um die veränderte Nutzung der Bibliothek. Vor diesem Hintergrund lohnt sich auch mal der Gedanke, ob es nicht sinnvoll ist, baulich mit dem Jugendmuseum nebenan zu verwachsen, um so Flächen zu erhalten, die wir gemeinsam nutzen können, etwa für Veranstaltungen oder ein gemeinsames Café. In diesem Zusammenhang haben Irene von Götz (die neue Leiterin des Bereiches Kunst, Kultur und Museen) und ich aus den Unterlagen unserer VorgängerInnen sowie aus Gesprächen mit unseren KollegInnen von der bereits schon etwas älteren Idee der Schaffung eines Kulturortes hier am Lassenpark erfahren, die wir sehr spannend finden und gerne weiter verfolgen möchten.
7. Im Koalitionsvertrag wird die Erstellung einer gesamtberliner Bibliotheksplanung gefordert, muss es das nicht auch für unserem Bezirk geben, an den Bedürfnissen einer wachsenden und sich verändernden Bevölkerung orientiert?
Das muss und wird es ganz sicher. Für die Schaffung neuer Angebote und Services, die organisatorische und
personelle Entwicklung und nicht zuletzt für die wirtschaftliche Konsolidierung unserer Stadtbibliothek brauchen wir klare Ziele und Strategien. Dabei ist es sicherlich geboten, die Pläne an den
Bedürfnissen der Menschen im Bezirk zu orientieren. Diese Maßgabe zu erfüllen erweist sich allerdings als sehr komplexe Aufgabe: Konkret müssen wir die Bedürfnisse unsere Nutzerschaft, wenn
möglich aber auch der Nichtnutzerschaft, unserer Partner bei unseren Überlegungen berücksichtigen. Zugleich muss unser Entwicklungsplan in bereits vorhandene Planungen eingebettet werden, zum
Beispiel in die bezirklichen und gesamtstädtischen Vorhaben der Stadtentwicklung. Unser Plan muss zudem die bibliotheksstrategischen Überlegungen auf Landes- und Bundesebene
berücksichtigen.
8. Was muss getan werden, um die Bezirkspolitik stärker auf die Erfordernisse einer modernen Bibliothek aufmerksam zu machen?
Zunächst ist es im Grunde so, dass wir die Bezirkspolitik gar nicht auf uns aufmerksam machen müssen. Wir stehen schon häufig im Mittelpunkt der politischen Aufmerksamkeit: Es gibt für unsere Belange einen eigenen Fachausschuss und während der letzten Generaldebatte zum kommenden Haushalt für die Jahre 18 und 19 in der BVV ist die Bibliothek auffällig oft und intensiv Gegenstand der politischen Auseinandersetzung gewesen.
Für mich lautet also die wesentliche Frage, wie wir diese aktuell hohe Aufmerksamkeit der Bezirkspolitik im
besten Sinne für unsere Weiterentwicklung nutzen können, wie ich sie hier geschildert habe. Eine wesentlich wichtige Erkenntnis aus den politischen Debatten über die Bibliothek hier im Bezirk ist
für mich, dass wir uns, unsere Überlegungen und unsere Arbeit viel stärker den Abgeordneten und anderen zentralen Akteuren des Bezirkes vor Ort in unseren Häusern präsentieren müssen. Regelmäßige
Berichterstattungen anhand von Zahlen und Fakten zu den Bibliotheken im Fachausschuss reicht meines Erachtens nicht aus. Ich denke, es ist eminent wichtig, dass die Bezirkspolitik die
Stadtbibliothek erlebt. Ich möchte sie daher künftig gerne regelmäßig und offensiv dazu einladen, in unseren verschiedenen Standorten den Regelbetrieb zu erleben, aktiv an unseren Veranstaltungen
teilzunehmen und überhaupt unsere Entwicklung hautnah zu beobachten, die wir jeden Tag Schritt für Schritt vollziehen. Ich glaube, es gibt keinen besseren Weg, um zu zeigen, dass die Bibliothek
so viel mehr für den Bezirk leistet und leisten kann, als Bücher zu verleihen. Bibliotheken haben weitaus mehr Funktionen für unsere Bezirksgesellschaft, als lediglich die Distribution von Wissen
und Information.
9. Wie kann der „Freundeskreis der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg“ dabei helfen, nachdem die Kampagne zur Anschaffung eines neuen Bücherbusses absehbar erfolgreich war? Sie haben den Freundeskreis bei Ihrem Amtsantritt ja schon vorgefunden.
Ja, richtig und über diesen bin ich auch nach wie vor sehr froh! Gerade mit Blick auf die vorherige Frage denke ich zunächst, es wäre grundsätzlich gut, wenn der Freundeskreis uns dabei unterstützt, die Bezirkspolitik regelmäßig in unsere Häuser zu locken.
Ich glaube aber auch, dass der Freundeskreis wesentlich wichtig wäre, um auf kommunaler und vielleicht auch auf Landesebene für den Bau des Kulturbausteins im Zuge des Projektes ‚Neue Mitte Tempelhof‘ zu werben.
10. Welches sind Ihre persönlichen, beruflichen Ziele der nächsten drei Jahre?
Persönlich hoffe ich, dass mir weiterhin die Quadratur des Kreises halbwegs gelingt und ich meine Familie, meine Freunde und meinen Job in einem ausgewogenen Verhältnis unter einen Hut kriege. Work-life-balance und so, wenn Sie wissen was ich meine.
Beruflich wünsche ich mir vor allem, dass es mir in den nächsten drei Jahren gelingt, die selbstgesteckten strategischen Entwicklungsziele für die Stadtbibliothek zu erreichen und dass dabei meinen Kolleginnen und Kollegen sowie mir selbst nicht die die Freude und der Spaß an unserer Arbeit verloren geht.
Herr Dr. Rickum, danke für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen! Ich wünsche Ihnen persönlich und als Leiter beruflich viel Erfolg bei Ihrer anspruchsvollen Aufgabe!
Zehn Fragen an den Leiter der Fahrbibliothek Tempelhof-Schöneberg,
Herrn Burkhard Kajewicz, gestellt am 15. 3. 2017
vom Webmaster
der Freundeskreis-Webseite, Dr. Gerhard Weil
Ich bin seit Ende 2014 Leiter der Fahrbibliothek.
Der jetzige Bus ist vor 25 Jahren zugelassen worden. Zugleich feiern wir in diesem Jahr das 50-jährige Jubiläum der
Fahrbibliothek Tempelhof-Schöneberg. Ob ein H-Nummernschild dann mit 30 Betriebsjahren erreicht werden könnte, ist mehr als fraglich, da bei zu erwartenden Reparaturen die
Ersatzteilbeschaffung immer schwieriger werden wird.
Durch die geltende Abgasnorm darf der Bus nicht die Umweltzone befahren. So mussten wir leider Schulhaltestellen in Schöneberg und Tempelhof aufgeben. Z. T. werden diese jetzt durch Standortbibliotheken betreut, auch aus anderen Bezirken, wie Friedrichshain-Kreuzberg, da die betroffenen Schulen in deren Einzugsbereich liegen.
Wir fahren im wöchentlichen Rhythmus 12 Haltestellen an, davon sind sechs Grundschulen in Tempelhof, wie die GS im Taunusviertel in unmittelbarer Nähe zur Stadtgrenze nach Brandenburg oder die Ikarus-GS, die Carl-Sonnenschein-GS in Mariendorf, die GS am Dielingsgrund, die keine fußläufigen Standortbibliotheken in der Nähe haben.
In den Nachmittags- und Abendstunden fahren wir die Ortsteile Mariendorf, Lichtenrade und Friedenau an. In Friedenau stehen wir 2 x in der Woche gegenüber dem Rathaus Friedenau und bieten dort einen Service alternativ für die geschlossene Gerhart-Hauptmann-Bibliothek.
Nicht zu vergessen sind aber auch mehrere Kitas in Mariendorf, Lichtenrade und Friedenau, die uns z.T. im Bus besuchen aber auch regelmäßig mit Bücherkisten beliefert werden.
4. Wenn Sie schon wöchentlich vor den Grundschulen stehen, gehen sie auch mal
hinein?
Ja, na klar. Neben unserem vielfältigen Medienangebot im Bus bieten wir auch Bibliothekseinführungen und Bibliotheksunterricht in Form von Projekten, in letzter Zeit auch für Willkommensklassen, in den Schulräumen an und können da auch digitale Services mit Tablet, I-Pad und Apps einsetzen.
Besonderen Spaß machen - und gerne angenommen werden die Bilderbuchkino-Vorführungen in den Kitas und Klassen sowie die Lesungen mit Berliner Kinderbuchautoren in den Schulen.
5. Bibliothekare lieben
die Statistik, was können sie uns in dieser Hinsicht von der Fahrbibliothek berichten?
Im letzten Jahr (2016) besuchten uns 41.784 Nutzer, die 103.541 Medien entliehen haben.
Wir führten 241 Gruppenführungen mit 3.107 Teilnehmern durch und konnten 27 Veranstaltungen mit 1.350 Teilnehmern bieten. 251 Medienpakete lieferten wir an Schulen und Kitas aus.
Statistik 2016
|
2016 |
2015 |
+ 2016 |
Öffnungsstunden |
1146,3 |
1024,2 |
+ 11,09 % |
Besuche |
41784 |
32621 |
+ 28,09 % |
Entleihungen |
103541 |
95109 |
+ 8,87 % |
Gruppenführungen |
241 |
108 |
+ 123,15% |
Teilnehmer |
3107 |
1477 |
+ 110,36% |
Veranstaltungen |
27 |
12 |
+ 125 % |
Teilnehmer |
1350 |
801 |
+ 68,54 % |
Medienpakete |
251 |
232 |
+ 8,19 % |
6. Sie
sollen neulich voller Neid im neuen Bücherbus von Steglitz-Zehlendorf gesessen haben. Was war da besser, was kostet denn der Spaß für den Bezirk?
Allerdings ! Nicht nur Steglitz-Zehlendorf konnte im Januar einen neuen Bücherbus in Betrieb nehmen, auch der Bezirk Spandau weiht am 17. März sein neues Fahrzeug feierlich ein. In Treptow-Köpenick ist der neue Bus im Bau und auch Pankow und Lichtenberg planen eine Anschaffung. Die neuen Fahrzeuge sind auf dem aktuellen technischen Stand, mit der Euro-6-Norm kann die Umweltzone befahren werden, eine Klimatisierung, behindertengerechter Zugang, Toilette, LED-Beleuchtung, Automatikgetriebe etc. bieten den Nutzern Komfort und den Beschäftigten einen zeitgemäßen Arbeitsplatz.
7. Angeblich hat unser Bezirk die Chance vor ein paar Jahren vertan, ebenfalls einen neuen Bus zu
bekommen, bevor unser auseinanderfällt. Eine Hälfte der Kosten sollten sogar fremdfinanziert werden?
Vor ein paar Jahren hätte der Bezirk EU-Mittel in Höhe von 200 Tsd € zur Anschaffung eines neuen Bücherbusses erhalten können.
Der Bezirk konnte leider die gleiche Summe zur Kofinanzierung nicht aufbringen. Das wäre eine für den Bezirk sehr günstige Gelegenheit gewesen.
8. Was machen Sie mit dem Bücherbus in den Ferien?
Die Schulferien nutzen wir zu einer Grundreinigung und um das Fahrzeug turnusmäßig in der Werkstatt warten zu lassen, fahren aber auch, wenn möglich, die Nachmittags-/Abendhaltestellen an. Die restliche Zeit wartet der Bus auf seinen nächsten Einsatz in der Garage.
9. Mit wie vielen Kolleg_Innen wird das Fahrbibliotheksangebot betrieben, gibt es verschiedene Aufgaben und Anforderungen?
Das Team der Fahrbibliothek Tempelhof-Schöneberg besteht aus zwei Bibliothekar_Innen, einer FaMI ( Fachangestellte für Medien- und Informationsvermittlung) zugleich Fahrerin sowie zwei Bibliotheksangestellten die auch zugleich Fahrer sind. Durch die Aufteilung in Vormittags- und Abendhaltestellen fahren wir täglich in zwei Teams.
Die Fahrer sorgen für die Vorbereitung der Ausleihe, stellen die technischen Voraussetzungen in und am Bus sicher, überprüfen die Fahrtauglichkeit, bringen den Bus zu unseren Nutzern, sind aber auch wichtige Stützen bei der Medienverbuchung im Bus.
Die Bibliothekare beraten, verbuchen Medien, führen Projekte der Leseförderung und Informationsvermittlung sowie Veranstaltungen durch, geben Bibliotheksunterricht, sind für den Bestandsaufbau und dessen Vermittlung verantwortlich.
10. Was waren Ihre
merkwürdigsten, lustigsten Erlebnisse mit und in dem Bücherbus?
Wenn man in der Schule oder auf der Straße mit: „ Hallo, Bücherbus-Mann … „ erkannt und begrüßt wird oder zu Ostern und Weihnachten mit selbst gemalten“ Kita-Kunstwerken“ beschenkt wird, sind das schon nette Erlebnisse und spiegeln die Anerkennung und Freude der kleinen und großen Nutzer wieder.
Auch wird schon mal ein Kind auf dem Beifahrersitz gestillt oder ein zugeflogener Vogel aus dem Bus befreit …
Sie sehen, im Bücherbus wird es nie langweilig!
Dagegen wird leider unser Bücherbusalltag durch oft zugeparkte Haltestellen getrübt, sodass das Ordnungsamt in Aktion treten muss …
Herr Kajewicz, wir vom Freundeskreis wünschen Ihnen und Ihren Mitarbeiter_Innen alles erdenklich Gute und vor allem einen nagelneuen Bücherbus mit bester Ausstattung möglichst bald, ich danke Ihnen!
Zehn Fragen an den Leiter der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg,
Herrn Dr. Engelbrecht Boese, gestellt am 17. 11. 2016
vom Webmaster
der Freundeskreis-Webseite, Dr. Gerhard Weil
1. Herr Dr. Boese, Sie scheiden zum Jahresende aus Ihrem Amt aus. Wie viele Jahre haben Sie die Stadtbibliothek Tempelhof und dann die Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg geleitet? Die Zahl der Bibliotheksstandorte hat sich doch in diesen Jahren deutlich verringert?
Ja, das stimmt. Aber zunächst ein Blick zurück. Ich bin 1990 als Leiter nach Tempelhof gekommen, damals waren Tempelhof und Schöneberg ja noch getrennt. Vorher war ich nach meinem Bibliothekarsdiplom in Stuttgart und dem anschließenden Geschichtsstudium in Mainz vier Jahre lang Leiter einer großen Filiale der Frankfurter Stadtbücherei. 1990 das war eine sehr interessante Zeit, weil es damals auch darum ging, die sehr unterschiedlichen Bibliothekssysteme in den beiden Stadthälften zu vereinen, auf einen Nenner zu bringen. Das war nicht so ganz einfach, wie schwierig es war, sehen Sie heute noch daran, dass die größte Öffentliche Bibliothek in Berlin, und größte Öffentliche Bibliothek in Deutschland, die Zentral- und Landesbibliothek, nach wie vor mit zwei Häusern vorlieb nehmen muss. Für eine Stadt wie Berlin, für eine Weltmetropole eigentlich ein unhaltbarer Zustand, der anscheinend jetzt leider noch verlängert wird.
Aber um Ihre Frage zu beantworten. Es gab in Tempelhof und Schöneberg, jeweils 10 Bibliotheken, wobei allerdings die Kinder- und Jugendbibliotheken in den Haupthäusern noch als eigene Bibliotheken zählten, das ist heute nicht mehr so. Zum Bestand gehörten damals noch zwei Bibliotheken in den berufsfeldbezogenen Oberstufenzentren, die später der Senator für Bildung an sich gezogen hat, und damals gab es auch noch die so genannten „Mediotheken“ in den Bildungszentren, die später wegen Asbest geschlossen wurden. Aber zum Bestand gehörten auch noch mehr ganz „normale“ Stadtteilbibliotheken. Der 1995 einsetzenden Sparwelle fielen in Tempelhof beide Bibliotheken in Mariendorf, wo es heute keine standortfeste Bibliothek mehr gibt, und eine Bibliothek in Lichtenrade zum Opfer, in Schöneberg die Bibliothek im Lindenhof, und die Friedenauer Bibliothek im Rathaus wurde damals auf eine eigentlich nicht tragbare Restgröße zusammengeschrumpft.
Heute hat die Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg noch ganze sieben Bibliotheken: die
Bezirkszentralbibliothek in der Götzstr., die Mittelpunktbibliothek Schöneberg in der Hauptstr., in der wir uns hier gerade befinden, das war damals die Hauptbibliothek in Schöneberg, dann drei
Stadtteilbibliotheken in Lichtenrade, Marienfelde und Schöneberg-Nord, eine ehrenamtlich betriebene Nebenstelle die Thomas-Dehler-Bibliothek und last not least die wichtige Fahrbibliothek, die 11
Haltepunkte des Bücherbusses vorwiegend in Tempelhof hat.
2. Was war in dieser Zeit Ihr größter beruflicher Erfolg, was Ihre größte Niederlage?
Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Ich würde es auch nicht an einem bestimmten Punkt festmachen,
sondern ich würde einen ganzen Zeitraum als Niederlage beschreiben, wobei das eigentlich eine Niederlage der Bürgerinnen und Bürger dieses Bezirks ist, denn es geht hier weniger um mich. In den
letzten 10 Jahren, etwa seit Mitte des letzten Jahrzehnts, sind ihnen die entscheidenden Maßnahmen zum Erhalt und zur Weiterentwicklung ihrer Bibliotheken verwehrt worden. Tempelhof-Schöneberg
war nach der Bezirksfusion eines der leistungsfähigsten Bibliothekssysteme in Berlin. Danach gab es einen Bruch. So ab Mitte des ersten Jahrzehnts haben die Bezirke um uns herum, mit Ausnahme
vielleicht von Charlottenburg-Wilmersdorf, ihre Standorte ausgebaut, saniert, erweitert, renoviert oder sogar neue Standorte gebaut. Tempelhof-Schöneberg hat, man muss das leider so deutlich
sagen, in diesem Jahrzehnt den Anschluss verpasst. Heute sind unsere zwei größten Bibliotheken in einem verlotterten baulichen Zustand. Wir haben einen klapprigen alten Bücherbus von 1992, und
von den kleineren Bibliotheken genügen zwei nicht einmal mehr den Berliner Mindeststandards an eine professionelle Bibliotheksarbeit. Und dass die Chance ausgeschlagen wurde, für den Spottpreis
von 8 € pro Quadratmeter ins ehemalige Hertie-Gebäude zu ziehen, dafür fehlen mir und eigentlich allen Fachleuten in Berlin auch heute noch die Worte. Wo sonst hätte Integration gelingen können,
wenn nicht an diesem zentralen Ort in Schöneberg, an einem Kreuzungspunkt sozial und kulturell so unterschiedlicher Einzugsgebiete?
Aber kommen wir zu den Erfolgen: Es war immer die Stärke der Stadtbibliothek, nicht über die Vergangenheit zu jammern, sondern nach vorne in die Zukunft zu schauen. Das ist, wenn ich
zurückblicke, das eigentlich Positive in diesen vielen Jahren, dass es dem Bibliotheksteam immer wieder gelungen ist, Nackenschläge, die es seit Mitte der 90er Jahre, als die erste große
Sparwelle begann, reichlich gab, wegzustecken und den Blick trotz allem nach vorn zu richten, krisenhafte Entwicklungen nicht zu ignorieren, das ist ja kaum möglich, aber doch als Chance zu
sehen, um sich neu zu positionieren und neu aufzustellen. Das ist nicht mein Erfolg, sondern der Erfolg aller Mitarbeiterinnen, die Herausforderungen wie die Einführung des VÖBB, der die
Bibliotheksarbeit komplett umgekrempelt hat, die Bezirksfusion, wo es darum ging, zwei sehr unterschiedlich geprägte Bibliothekssysteme zusammenzuführen, die Einführung der Selbstverbuchung,
immer positiv angenommen und bewältigt zu haben, die sich Ziele gesetzt und zeitgemäße Schwerpunkte für ihre Arbeit entwickelt haben, und ich bin sehr zuversichtlich, dass es den Mitarbeiterinnen
mit diesem konstruktiven, nach vorn gerichteten Geist auch gelingen wird, die baulichen und konzeptionellen Herausforderungen positiv zu gestalten, die auf sie zukommen werden, wenn die Politik
jetzt endlich die seit Jahren überfälligen Bau- und Sanierungsprogramme in den großen Häusern in Gang setzt und wenn die Bürgermeisterin jetzt ihr Versprechen wahr macht, wenn sie denn schon
Hertie nicht wollte, wenigstens Sanierung und Ausbau der Mittelpunktbibliothek Schöneberg zu finanzieren.
3. Die baulichen Bedingungen an den Bibliotheksstandorten Schönebergs wurden schon erwähnt, aber es gibt auch Probleme in
Tempelhof, in der Zentralbibliothek? Da ist das Dach undicht.
Wenn Sie die Probleme unserer Häuser wirklich wahrnehmen wollen, empfehle ich Ihnen den olfaktorischen Weg: Immer der Nase nach! Der marode Zustand in unseren beiden großen Häusern stinkt ja
buchstäblich zum Himmel. Eigentlich müssten wir unseren Kunden, die die Toiletten benutzen wollen – soll ja mal vorkommen -, sagen: Schlagt Euch lieber in die Büsche! Die Sanitäranlagen in den
beiden großen Häusern sind in einem so katastrophalen Zustand, dass sich unsere Mitarbeiterinnen schämen, wenn sie darauf angesprochen werden. Und das Dach, das Sie gerade angesprochen haben: In
der Bezirkszentralbibliothek ist seit 2007 die Dachisolierung kaputt, im Sommer steigen die Temperaturen regelmäßig auf über 30 Grad und unsere Mitarbeiterinnen machen da keine Siesta, die
arbeiten da! Und wenn es regnet, wird die Bibliothek zum Regenwasserreservoir, da sehen Sie dann überall in der Bibliothek verteilt Eimer, um das kostbare Regenwasser, das da durch die Decke
tropft, aufzufangen, damit wir unsere Bücher und PCs wässern können. Das ist eine nicht mehr tragbare Situation. In der Mittelpunktbibliothek Schöneberg haben gehbehinderte Menschen,
Rollstuhlfahrer, Mütter/Väter mit Kinderwagen keine Chance, die Kinderabteilung im Obergeschoß zu benutzen. Wozu sollte man denn auch einen öffentlichen Bereich mit viel Publikumsverkehr durch
einen Fahrstuhl erschließen?
Ich könnte Ihnen noch viel mehr nennen, angefangen von den nicht mehr reparablen Fenstern in der Bezirkszentralbibliothek, und das ist ja die größte Bibliothek in unserem Bezirk, für die die notwendigen Maßnahmen schon seit rd. 10 Jahren mit mehr als 4 Mio. Euro in der Investitionsplanung fest verankert sind. Das Geld ist also vorhanden, aber verbaut wird es nicht.
Aber ich will hier noch ein ganz anderes Problem anschneiden. Es geht nicht nur um Sanierung. Unsere großen Häuser wurden zu einer Zeit gebaut, als Bibliotheken vorwiegend noch als Ausleihstationen konzipiert wurden. Heute sind sie viel mehr als das. Heute sind sie Lernorte, Arbeits- und Studienorte, Begegnungsorte, Veranstaltungsorte, und für all die unterschiedlichen Nutzungen, die eine Öffentliche Bibliothek heute ausmachen, für die Menschen, die aktuelle Zeitungen und Zeitschriften lesen oder einfach mal was anlesen wollen, für Schüler- und andere freie Gruppen, die sich zum gemeinsamen Arbeiten zusammenfinden, für Kunden, die unsere Internet- oder PC-Angebote nutzen wollen, z.B., um Bewerbungen zu schreiben, für die Kinder, die Veranstaltungen zur Leseförderung besuchen, für literarische Lesungen. Für all diese Nutzungen braucht es Platz.
Manches davon geht laut vor sich, manches leise, manche Kunden brauchen voll computerisierte Einzelarbeitsplätze, manche vielleicht eher eine ruhige Rückzugsmöglichkeit und einen Sessel, für andere wären Gruppenräume mit digitalem Equipment wichtig und, für Veranstaltungen braucht man Räume mit Beamer und Leinwand. Das alles braucht Platz und diesen Platz für unterschiedliche Nutzungen, für lautere und leisere Zonen, haben wir nur in sehr ungenügender Weise. Um das mal an Zahlen festzumachen: Wir hatten 2015 zwar noch 19% mehr Einrichtungen als die Berliner Bezirke im Schnitt, stellen pro Einwohner aber 16% weniger Fläche zur Verfügung. Die Bezirkszentralbibliothek, unser größtes Haus, hat fast ein Fünftel weniger Fläche als die Zentralbibliotheken in den anderen Bezirken.
Also: Worum es in Zukunft gehen muss, lässt sich in zwei Worten zusammenzufassen: Sanierung und Flächenerweiterung!
4. Auch der Bücherbus wurde schon von Ihnen erwähnt, wie lange hält der denn noch durch, bekommt er bald eine H-Nummer
oder wie sieht es aus mit einen Nachfolger?
Unser Bücherbus ist seit Jahren eine Einrichtung, die sehr viel Erfolg hat, die sehr stark genutzt wird und gute Zahlen liefert. Dieser Erfolg steht in einem makaberem Missverhältnis zum Erhaltungszustand. Gerade für Kinder ist der Bus hoch attraktiv, schauen Sie sich einfach mal an, wie die Kinder in den Schulpausen mit leuchtenden Augen in den Bus strömen, das ist ein großer Event. Da wird Leseförderung betrieben und für viele Kinder ist das oft der erste Kontakt zu Bibliotheken und zu Büchern. Wer die Lesekultur fördern will, hätte mit dem Bücherbus ein hervorragendes Instrument, um damit anzufangen. Die Firma Berlin Recycling, die unseren Bus jährlich mit einem richtig großen Batzen Geld fördert, hat das begriffen, und andere Bezirke wissen das auch. Spandau und Steglitz-Zehlendorf z.B., die gerade neue Busse anschaffen. Sogar Lichtenberg, ein Innenstadtbezirk, überlegt, einen Bücherbus anzuschaffen!
Unser Bus wurde 1992 in Betrieb genommen, er hat jetzt also fast ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel, und es ist abzusehen, dass er nicht mehr ewig fahren wird, dass er irgendwann in nicht allzu langer Zeit den Geist aufgeben wird. Ich kann nicht prophezeien, wann das sein wird. Vielleicht sind es noch drei Jahre, vielleicht auch nur ein paar Monate. Was mich richtig ärgert ist, dass der Bezirk in den letzten Jahren mehrfach die Chance ausgeschlagen hat, einen neuen Bus mit Hilfe einer 50-prozentigen Kofinanzierung durch die EU zu bekommen. Diese Chance gibt es jetzt nicht mehr, das ist vorbei. Wir stehen deshalb möglicherweise vor der fast schildbürgerlich zu nennenden Situation, dass es ausgerechnet in einem der flächenstarken Bezirke Berlins, der nur noch über ein sehr ausgedünntes Netz von standortfesten Bibliotheken verfügt und z.B. den ganzen Ortsteil Mariendorf unversorgt lässt, bald auch keinen Bus mehr geben wird, der eigentlich genau dafür da ist, solche Lücken, solche Defizite auszugleichen, und das träfe, ausgerechnet im 50. Jahr seines Bestehens, gerade die Menschen, die in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind, die Kinder, die Älteren, die Behinderten. Ein Bus kostet jetzt mindestens 400000,-€ und das muss der Bezirk jetzt voll selbst finanzieren.
5. Reichen die bezirklichen Finanzmittel zum Bestandserhalt bzw. Ausbau Ihrer Medien annähernd aus?
Das lässt sich sehr einfach beantworten. Wir sind ja eine Verbrauchs-, keine Archivbibliothek. Medien verschleißen und veralten, und wenn der Bestand nicht regelmäßig erneuert wird, wird er im günstigsten Fall museal und im schlimmsten Fall klebrig und abgegriffen, mit Umschlägen, die niemand mehr anfassen mag. Wir brauchen standardmäßig, um diese Erneuerung und Aktualisierung leisten zu können, einen Betrag von rd. 1,5 Euro pro Einwohner. Das ist der Normwert. Tatsächlich erreichen wir gerade – in 2015- 1 Euro pro Einwohner. Fairerweise muss ich allerdings hinzufügen, dass wir in diesem Jahr durch Sondermittel des Landes, nicht des Bezirks, fast 100.000 Euro zusätzlich einsetzen können, um die Medienbedarfe von Geflüchteten abdecken zu können, und damit erreichen wir fast den Normwert. Darüber freuen wir uns natürlich.
Unser Problem ist allerdings ein längerfristiges. Wir bieten seit Jahren deutlich weniger Medien pro
Einwohner an als die Berliner Bezirke. Das war lange der schlechteste Wert und, - 2015 - noch der zweitschlechteste Wert in Berlin und fast ein Viertel weniger als im Berliner Schnitt.
Das ist ein Problem auf zwei Ebenen. Einmal ein Versorgungsproblem, weil es reale Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger gibt, die wir nicht ausreichend
abdecken, für die wir die Bestände nicht aktuell halten können. Es ist aber auch ein finanzielles Problem, da wir uns über die Nutzung, in diesem Fall die Entleihungen, im Berliner Finanzsystem
refinanzieren müssen, und dafür reicht die Menge der Medien, die wir anbieten können, einfach nicht aus, obwohl das, was wir anbieten, sehr gut genutzt
wird. Aber was nicht da ist, kann nicht entliehen werden. Die vermeintliche Einsparung ist eine Milchmädchenrechnung des Bezirks, er spart kameral Geld ein, aber in der Kosten-/Leistungsrechnung
verlieren wir, weil wir bestimmte Nutzungen nicht erbringen können, mit denen wir uns besser refinanzieren könnten. Entgangene Nutzungen durch den zu geringen Medienetat kosten den Bezirk richtig
Geld.
6. Das Engagement Ihrer Mitarbeiter mit Kindern/Jugendlichen und
mit Geflüchteten ist lobenswert, reichen die personellen Kapazitäten unabhängig von Finanzierungsproblem ohne weitere Reduzierung der Öffnungszeiten aus?
Unsere personellen Kapazitäten sind für die Flüchtlingsbetreuung sogar erweitert worden, weil uns aus dem Programm des Senats für die „Wachsende Stadt“ zwei Stellen zugeteilt worden sind, die wir, bis die neue Bibliothek in Friedenau realisiert werden kann, an anderen Stellen gezielt für die Flüchtlingsbetreuung einsetzen können. Die Einstellungsverfahren laufen derzeit, und das ist auf jeden Fall eine positive Botschaft.
Was die Öffnungszeiten angeht, die sind ja zur Zeit bereits stark eingeschränkt. In Friedenau ist die Bibliothek ganz geschlossen, dort hält jetzt der Bücherbus sechs Stunden in der Woche. Auch die Mittelpunktbibliothek Schöneberg mit ihren sehr attraktiven Öffnungszeiten ist von dort aus gut in wenigen Minuten zu erreichen. In Schöneberg-Nord bieten wir zwar noch 20 Stunden an, haben dort aber kein festes Personal mehr, um Angebote zur Leseförderung vorzuhalten. Auch für diese Nutzer bietet die Mittelpunktbibliothek Schöneberg eine Alternative, die sogar, was Öffnungszeiten, Medienbestand und Raumangebot angeht, deutlich attraktiver ist. Über weitere Einschränkungen denken wir zur Zeit nicht nach. Allerdings sind wir personell auch nicht in der Lage, unsere Ideen für eine Erweiterung zu realisieren, also z.B. in Lichtenrade eine Samstagsöffnung anzubieten, das wäre in diesem sehr bibliotheksaffinen Ortsteil eine sehr wirksame Maßnahme, oder die Samstagsöffnung in der Bezirkszentralbibliothek von gegenwärtig vier Stunden auszudehnen. Das können wir zur Zeit nicht realisieren. Wobei, mit den Öffnungszeiten unserer beiden großen Häuser und der großen Stadtteilbibliothek in Lichtenrade mit 40 Stunden in der Woche stehen wir im Bezirksvergleich nach wie vor sehr gut da. Von daher ist das jetzt nicht unsere größte Baustelle.
7. Sie hatten die Sondermittel für die Arbeit mit den Geflüchteten
und besonders deren Kindern schon erwähnt, müsste das nicht verstetigt werden? Die Geflüchteten verschwinden ja nicht so schnell!
Das Land Berlin hat dem Bezirk für 2016 und 2017 Sondermittel in Höhe von 600.000 Euro für die zukünftige
Bibliothek in Friedenau und die anderen bezirklichen Bibliotheken zur Verfügung gestellt. Für die 300.000 Euro, die wir in diesem Jahr ausgeben können, sind unsere Bestellungen für Medien, Möbel
und digitale Informationsspeicher fast abgeschlossen, und ich gehe davon aus, dass wir die 2. Marge im nächsten Jahr in gleicher Weise einsetzen können. Natürlich müsste das perspektivisch
verstetigt werden. Verstetigt werden müsste auch der Ansatz für die Medienausstattung, auf dem Niveau des schon erwähnten Standards von 1,5 €, damit wir unseren Rückstand bei der Versorgung pro
Einwohner aufholen können. Mit dem Etat, den wir zur Zeit haben, bleiben wir immer Schlusslicht und werden auch unser Defizit in der Kosten-/Leistungsrechnung nicht verringern können.
8. Das leitet über zur der Frage, ob Sie in der Bezirkspolitik
immer genügend Unterstützung für Ihre Aufgaben und die Ihrer Mitarbeiterinnen gefunden haben? Sie haben ja schon einige traurige Beispiele genannt, wo das offensichtlich gefehlt hat, Stichwort
Bücherbus, Stichwort dringend erforderliche bauliche Maßnahmen. Haben Sie da Hoffnung, dass es da besser wird?
In unserer Abteilung auf jeden Fall. Unsere Stadträtin Frau Kaddatz, die ja auch wieder unsere neue Stadträtin ist, hatte immer eine feine Antenne für die besonderen Anliegen und Probleme der Stadtbibliothek und hat sich sehr engagiert und kompetent für uns eingesetzt, auch mit sehr fundiertem Fachwissen. Sie hat ja auch mit dem zweiteiligen Bibliothekskonzept von 2012/13, das Sie auf unserer Homepage auch nachlesen können, die Blaupause geliefert, die alles das auflistet, was zu tun ist, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten und die Stadtbibliothek zugleich in wirtschaftlicher Hinsicht zukunftssicher zu machen. Es ist nicht ihr anzulasten, wenn die Entscheidungen letztlich ausgeblieben sind, die uns ermöglicht hätten, unseren Rückstand gegenüber den anderen Bezirken aufzuholen.
9. Da wird das Bezirksparlament anzusprechen sein. Wir hatten ja
vom Freundeskreis eine Veranstaltung noch im Wahlkampf mit den entsprechenden Leuten. Sind Sie da guter Hoffnung, was da gesagt worden ist, oder sind sie noch skeptisch? Verstehen Sie die von
Ihnen stark unterstützte Gründung des Freundeskreis der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg als Hilferuf und was erhoffen Sie sich von seiner beginnenden Arbeit?
Die Initiative zur Gründung des Freundeskreises geht ja nicht auf uns zurück, sondern auf die Mehrheitsfraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung, und ich denke, das war ein bisschen so wie bei Münchhausen, dass sie sich selbst ein wenig unter Druck setzen wollten, um sich, um im Bild zu bleiben, aus dem Sumpf der Tatenlosigkeit zu befreien, den sie ja auch selbst bei der Wahlveranstaltung des Freundeskreises am 8. September sehr deutlich benannt haben. Ich hoffe jedenfalls, dass die nächsten fünf Jahre in dieser Hinsicht besser aussehen werden als die letzten fünf.
Ich freue mich, dass es den Freundeskreis gibt, und die Anfänge mit dem sehr konstruktiv und zielgerichtet
agierenden Vorstand lassen ja hoffen, dass es im Bezirk vielleicht doch wieder zu einer parteiübergreifenden pro-Bibliothek-Stimmung kommt, wie ich sie in Tempelhof und dann auch in den ersten
Jahren in Tempelhof-Schöneberg als ganz selbstverständlich erlebt habe. Ich wünsche mir so etwas wie z.B. in Augsburg, wo eine sehr engagierte, sehr lebendige und kreative Bürgerschaft erreicht
hat, dass die Augsburgerinnen und Augsburger heute an einem zentralen Standtort eine nagelneue, sehr attraktive, sehr gut genutzte Bibliothek vorfinden. Das ist entscheidend auf eine private
Initiative zurückgegangen. Wir haben genug brach liegende Baustellen, für die es lohnt sich einzusetzen, und die Bürgerinnen und Bürger dieses Bezirks haben lebendige, gut ausgestattete moderne
Bibliotheken verdient, in denen man findet, was man braucht, und in denen man sich auch wohlfühlen kann, wenn man mal im Internet surfen, seine Schulaufgaben machen oder bloß Zeitung lesen will,
und wenn der Freundeskreis dazu beitragen kann, das dies wieder zum Anliegen aller Parteien wird, würde ich mich sehr freuen. Unsere Mitarbeiterinnen stehen jedenfalls bereit und sind auch in der
Lage, aus unseren Bibliotheken wieder richtige Leuchttürme zu machen, aber sie brauchen dabei auch Unterstützung!
10. Werden sie sich auch als Rentner für das bezirkliche
Bibliothekswesen engagieren und womit muss man rechnen?
Ich werde jetzt erst mal auf Reisen gehen, gleich nach Weihnachten nach Südamerika – Argentinien, Paraguay, Uruguay - , und in zwei Jahren dann, wenn alles gut geht, einmal um die Erde, allerdings in mehr als 80 Tagen, und natürlich werde ich mir die notwendigen Informationen dazu im Wesentlichen aus der Bibliothek holen, die gibt es da analog und digital mehr als reichlich. In Tempelhof-Schöneberg sollen jetzt aber mal andere ran. Das muss nicht sein, dass der Leiter in Rente geht und dann immer noch an alter Stelle rumfuhrwerkt. Die Mitarbeiterinnen freuen sich auf die neue Leitung, auf neue Ideen, neue Initiativen, neuen Schwung. Ab dem 1.4.2017 wird es hier eine gute Lösung geben mit einem jungen Fachkollegen, der derzeit schon in der gleichen Funktion halbtags als Leiter in Friedrichshain-Kreuzberg tätig ist. Das ist eine Lösung von hoher Fachkompetenz, wie die Stadtbibliothek sie für die anstehenden Aufgaben z.B. im Hinblick auf Digitalisierung und verstärkte Zielgruppenarbeit auch dringend braucht. Ich bin sehr zufrieden mit dieser Nachfolge, die haben sich die Mitarbeiterinnen mit der guten Arbeit der letzten Jahre auch wirklich redlich verdient. Ich werde das aber allenfalls noch aus weiter Ferne beobachten, weil ich mich auch auf ein neues, anderes Leben freue.
Herr Dr. Boese, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei Ihrem reisenden Ruhestand! Ich weiß, wovon ich rede.
Besuch in der Stadtbibliothek Lichtenrade in der Alten Mälzerei Fotos: Weil
Freundeskreis der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg e.V.
c/o Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg
Hauptstr. 40, 10827 Berlin
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